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Hendrik Wieduwilt (FAZ) über Litigation-PR auf dem Syndikus-Summit 2009

“Litigation-PR : der Blog” begrüßt Gastautor Hendrik Wieduwilt, Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung [1].

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Branche ohne Helden

Litigation-PR weckt die Hoffnung, trotz Ärger mit der Justiz öffentlich in gutem Licht zu stehen und bestenfalls einen Prozess zu beeinflussen. Jetzt hatte sich auch der dritte „Syndikus Summit“ (Programm als PDF [3]) des Betriebs-Beraters [4] und der conference group [5] am 18.06.2009 in Frankfurt a.M., der Gipfel der Hausjuristen, das Thema auf die Agenda gesetzt. Die Branche ist jung – aber durchaus schon alt genug für ein wenig Spott.

Die gute Nachricht

Anwälte und Manager dürften immer seltener auf die Idee kommen, die Öffentlichkeitsarbeit in heiklen Fällen selbst in die Hand zu nehmen. Denn hier gibt es offenbar keine pauschalen Verhaltensregeln. Selbst die Frage, ob man im Ernstfall lieber reden oder schweigen sollte, beantworteten die Fachleute in der Frankfurter Kennedy Villa unterschiedlich. Christian Weyand [6] etwa, Partner der Brunswick Group in Frankfurt, riet krisengeplagten Unternehmern zur „begrenzten Kommunikation – ein Eingangsstatement, dann ist Schluss“. Dabei nimmt die Mitteilungsfreude von Managern und Prominenz ohnehin meist ab, sobald sie ins Visier der Justiz geraten. Christoph Pauly [7] plädierte denn auch generell für mehr Offenheit: „Reden Sie mit den Leuten“, mahnte er. Nun ist Pauly allerdings für Konzernsprecher und -syndici ein nur bedingt tauglicher Ratgeber: Er ist Redakteur beim „Spiegel“. Alle Journalisten wünschen sich Unternehmen, die rücksichtslos aufklären. Was sich ein Reporter allerdings für seinen Arbeitstag als Überschrift herbeisehnt („Vorstandsvorsitzender beißt Berufskläger auf Hauptversammlung“) korreliert selten mit den Träumen eines Unternehmenskapitäns („Aktionäre bejubeln Vorstand der H Bank“ / „Entwarnung: Doch keine Affäre bei der der XY AG!“). Auch Weyand räumte indes ein, dass Transparenz „immer stärker eingefordert“ würde – insoweit könnten sich möglicherweise doch „first mover“ Vorteile ergeben, vulgo: Wer zuerst spricht, steht vielleicht doch besser da.

Seitenhiebe teilte Magnus Hirsch [8] aus, Partner bei SKW Schwarz in Frankfurt. „Nichts Neues“, urteilte er über Litigation-PR. Schon der Name sei „gruselig“. Im Wettbewerbsrecht gäbe es häufiger Fälle, die nun unter dem Etikett Litigation-PR laufen könnten. Etwa als ein Start-up-Unternehmen einen Wettbewerber per Strafanzeige und nachgeschalteter Presseerklärung torpedierte – „der Aufsichtsrat entsetzt, die Arbeitnehmer verunsichert, der Investor verschreckt“, fasste Hirsch das ausgelöste Desaster zusammen.

Aber was kann ein Litigation-PR-Berater denn nun leisten? Was macht er für sein Geld? Erziehungsarbeit scheint dazu zu gehören: „Unternehmen sind oft zu optimistisch eingestellt“, stellte Weyand etwa fest. Da müsse ein Berater als advocatus diaboli für eine realistische Einschätzung sorgen – auch wenn diese pädagogische Maßnahme weh tut. Mannesmann-Richterin Brigitte Koppenhöfer [9] ging sogar noch ein wenig weiter: Die Siegesgewissheit eines Josef Ackermann, gestisch als Victory-Zeichen verewigt, interpretierte die Richterin als „Übersprunghandlung“. Hier traf die PR-Avantgarde auf die etwas überholte Psychohydraulik, die den menschlichen Geist als eine Art Dampfkessel auffasst, aus dem in heißen Situationen aus allen möglichen Löchern Druck entweicht. Kann das denn sein? Wird ein Ackermann mit dem Stress nicht fertig und macht deshalb Faxen vor Gericht? Sollen Litigation-PR-Berater labilen Topmanagern nun für das unangenehme Meeting mit dem Strafrichter den Rücken stärken? Anwalt, Spin-Doktor und Psychotherapeut – wer Litigation-PR anbietet, muss offenbar in viele Rollen schlüpfen.

Die schlechte Nachricht

Eine Gretchenfrage beantwortete auch an diesem Abend leider niemand: Kann Medienarbeit Gerichte beeinflussen? Diese Befürchtung hatte immerhin auch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs, Klaus Tolksdorf, in die Debatte getrieben. Ausgerechnet Koppenhöfer bejahte dies freimütig und in drastischen Worten für den gesamten Berufsstand („Wer etwas anders behauptet, der lügt!“) – nur um dann semantische Haken zu schlagen: Das hieße ja nicht, schränkte die Juristin ein, dass auch das Verhalten der Richter dadurch beeinflusst würde. Sie verwies in ihrem launigen Vortrag auf das offenbar etwas schwächere Glied in der Richterbank, den Schöffen. „Ein Bauer, der nie länger als eine Stunde in einem Raum saß, soll nun zwei Stunden lang Herrn Esser zuhören“, visualisierte Koppenhöfer volksnah. Sie räumte ein, dass ihre Justizministerin solche Kommentare nicht goutiere – und legte dennoch nach: Viele von solchen Laienrichtern hielten „Untreue für einen Gefährdungstatbestand der Ehe“.

Nicht fehlen durften auch  die üblichen Verdächtigen, wenn über das Thema „Litigation-PR“ gesprochen wird: Die HIV-infizierte No Angels-Sängerin Nadja Benaissa, deren Verhaftung in einem Club vom Staatsanwalt an die Medien getragen wurde („erschütternd“ – Koppenhöfer) oder Klaus Zumwinkel, den die Strafverfolger vor laufender Kamera festnehmen ließen. Angesichts der oft gleichen Negativbeispiele fragt man sich unwillkürlich: Wo sind die strahlenden Helden der Litigation-PR-Branche, die den Manager durch klugen Rat und wohlformulierte Pressemappen vor dem Medien-GAU bewahrt haben? Ein Vorwurf, der gegenüber einer noch jungen Branche unfair sein mag. Zudem sind die Kommunikatoren in einer Zwickmühle: Es macht sich nicht gut, wenn man gegenüber Journalisten jenen Riesenskandal ausmalt, den man gerade vom Kunden abgewendet hat.

Über Hendrik Wieduwilt

Hendrik Wieduwilt [10], Jurist und Journalist, arbeitete nach dem Ersten Staatsexamen als Dozent für Recht und Sprache an der Universität Hamburg. Aktuell promoviert er zum Thema „Recht und Virtuelle Welten“ an der Universität Münster. Seit September 2008 arbeitet er als Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung [1]. Wieduwilt schreibt vornehmlich über internet- und medienrechtliche Themen.

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