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Steffen Burkhardt (Hamburg Media School): Reputationsmanagement – von Pionieren und Defiziten

27. Mai 2009 | Autor: Gastblogger | Keine Kommentare Artikel drucken

“Litigation-PR : der Blog” begrüßt Gastautor Dr. Steffen Burkhardt von der Hamburg Media School. Wir freuen uns, hier die Einleitung seiner Broschüre zum Thema „Reputationsmanagement“ veröffentlichen zu dürfen, die vom Bundesverband deutscher Pressesprecher herausgegeben wird.

Dr. Steffen BurkhardtDie Erfolgsgeschichte des Reputationsmanagements beginnt mit einem tödlichen Unfall: Am 29. Oktober 1906 sprang auf einer Brücke bei Atlantic City an der amerikanischen Ostküste ein vollbesetzter Zug der Pennsylvania Railroad Company aus den Gleisen und stürzte 50 Meter in die Tiefe. Zwei Waggons versanken im Meer, ein dritter zerschellte auf einem Brückenpfeiler. Ein Eisenbahnunglück wie dieses mit 57 Toten war damals keine Seltenheit. Fast monatlich kamen Zugreisende ums Leben. Die Eisenbahngesellschaften reagierten darauf bis zu jenem Tag mit einer höchst restriktiven Informationspolitik. Je weniger bekannt wurde, so dachten die Bahnmanager, desto weniger könne ihr Ruf beschädigt werden. Der Bahnmagnat William Vanderbilt brachte diese Haltung mit seinem Ausspruch „The public be damned!“ („Die Öffentlichkeit soll sich zum Teufel scheren!“) auf den Punkt und meinte mit „the public“ vor allem die investigativen Journalisten. Diese „Muckraker“, wie Theodore Roosevelt sie schimpfte, recherchierten über die Korruption von Wirtschaft und Politik. Sie warfen der Bahnindustrie vor, sie investiere nicht in die Sicherheit, weil ihr das Leben der Passagiere nicht viel wert sei. Und den Politikern unterstellten sie, aufgrund finanzieller Abhängigkeiten von den Eisenbahnunternehmern nichts gegen die fahrlässigen Qualitätsstandards zu unternehmen. Vor hundert Jahren, der Blütezeit der Boulevardpresse in den USA, verging kaum ein Tag, an dem Journalisten nicht Verflechtungen zwischen Industriellen und Politikern auf Kosten der Bevölkerung skandalisierten. Durch die Berichte wurde die Reputation von Unternehmen und Unternehmern mitunter irreparabel beschädigt – mit finanziell desaströsen Folgen für die Betroffenen.

Der junge Wall-Street-Reporter Ivy Ledbetter Lee erkannte das Missverhältnis zwischen öffentlichem Informationsinteresse und unternehmerischer Informationsverweigerung, das die aggressive Beziehung zwischen Journalismus und Wirtschaft bis dato geprägt hatte. Im Auftrag der Pennsylvania Railroad sollte er im Sommer 1906 als Puffer zwischen dem Unternehmen und der Öffentlichkeit die Missstände verschleiern. Doch Lee entschied sich – gegen den Willen seiner Auftraggeber – für einen anderen Weg: Statt die Journalisten zu bestechen, einzuschüchtern oder in ihrer Arbeit zu behindern, gab er ihnen das, was sie für ihre Arbeit benötigten: hard facts. Am Abend des 29. Oktober 1906 versendete er an alle wichtigen Zeitungsredaktionen eine Pressemitteilung, in der sich die Informationen zu dem Bahnunfall von Atlantic City befanden. Sie gilt als erste Pressemitteilung der Welt (Hiebert 1966). Am nächsten Tag ging er noch einen Schritt weiter und lud Fotografen und Reporter ein, damit sie sich ein Bild von den Rettungsarbeiten machen konnten. Lee hatte erkannt, dass er, um einen guten Ruf für das Unternehmen herstellen zu können, zunächst das Vertrauen der Medien gewinnen musste. Diese frühe Erkenntnis markiert ein für damalige Verhältnisse radikales Umdenken in der Wirtschaft und neues Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit, mit der Lee die Reputation als zentrale Aufgabe der Unternehmenskommunikation definierte.

Mit seiner Informationspolitik für die Pennsylvania Railroad hatte er nachhaltigen Erfolg. Als auf einer Strecke eines Konkurrenzunternehmens wenige Wochen später ein Zug verunglückte und dessen Manager eine Informationssperre verhängten, kochte die Presse vor Wut und lobte ausdrücklich die Kooperationsbereitschaft von Pennsylvania Railroad. Zum ersten Mal seit Jahren hatte das Unternehmen eine positive Wahrnehmung durch die Medien und eine Reputationsplattform, die Lee ausbauen konnte. Während andere Bahngesellschaften zunehmend rote Zahlen schrieben, verbuchte sein Auftraggeber Gewinne – trotz identischer Produkte.

Der PR-Pionier bezeichnete seinen Erfolge als die Kunst der „Human Relations“ und beschrieb damit ein zentrales Aufgabengebiet von Öffentlichkeitsarbeit, Kunden- und Mitarbeiterkommunikation sowie Investor Relations: das Managen von „Beziehungen zu Menschen“. Diese Gestaltung von sozialen Beziehungen zum Reputationsvorteil eines Individuums (z. B. Unternehmer, Politiker, Vorstandsvorsitzender) oder einer Organisation (z. B. Unternehmen, Verband, NGO) ist eine kommunikative Herausforderung, die als Reputationsmanagement bezeichnet wird. Gerade in gesättigten Marktsegmenten mit ähnelnden Konkurrenzprodukten kann es entscheidende Wettbewerbsvorteile schaffen. Eine hohe Reputation, die mit einem „guten Ruf“ gleichgesetzt wird, hat sich dank Ivy Lee zum wichtigsten immateriellen Gut im Bewusstsein von Unternehmen entwickelt. Nicht zuletzt sehen Führungskräfte in ihr ein zentrales Erfolgskriterium (Fombrun/van Riel 2008). Trotz der erkannten Relevanz zeigen sich in der Praxis – insbesondere in Krisensituationen – häufig noch erhebliche Defizite beim Management von Reputation. Die vorliegende Publikation skizziert daher die Grundlagen, Einsatzgebiete, Handlungsfelder, Implementierungsschritte und Instrumente des Reputationsmanagements und will so Impulse für seinen erfolgreichen Einsatz in der Kommunikationspraxis geben.

Literatur

  • Burkhardt, S. (2006): Medienskandale. Zur moralischen Sprengkraft öffentlicher Diskurse. Köln: Herbert von Halem.
  • Burt, R. S. (2005): Brokerage & Closure. An Introduction to Social Capital. Oxford: Oxford University Press.
  • Fombrun, C. (1996): Reputation. Realizing Value from the Corporate Image. Boston: Harvard Business School Press.
  • Fombrun, C./van Riel, C. B. M. (2008): Fame and Fortune: How Successful Companies Build Winning Reputations. Prentice Hall: FT Press
  • Hiebert, R. E. (1966): Courtier To the Crowd: The Story of Ivy Lee and the Development of Public Relations. Iowa: Iowa State University Press.
  • Lin, N. (2001): Social Capital. A Theory of Social Structure and Action. New York: Cambridge University Press.
  • Thompson, J. B. (2000): Political Scandals. Power and Visibility in the Media Age. Oxford: Blackwell Publishers
  • Trepte, S./Burkhardt, S./Weidner, W. (2008): Wissenschaft in den Medien präsentieren. Frankfurt a. M./New York: Campus.

Über Steffen Burkhardt

Dr. Steffen Burkhardt ist an der Hamburg Media School für den universitären Masterstudiengang Journalismus verantwortlich. Der Kommunikationswissenschaftler referiert als international gefragter Experte für Reputations- und Skandalmanagement u. a. bei der UNESCO (Paris), an der Columbia School of Journalism (New York) und der London School of Economics and Political Science (LSE).

Kontakt

s.burkhardt(at)hamburgmediaschool.com

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