„Kommunikation trifft Justiz. Eine empirische Studie zur Zusammenarbeit von PR-Beratern und Juristen“
5. November 2014 | Autor: Gastblogger | Keine Kommentare Artikel drucken
Executive Summary der Masterarbeit von Marlene Lepper, Hochschule Osnabrück, University of Applied Sciences.
Aufgrund der Medialisierung der Gesellschaft und eines gestiegenen Interesses der Medien an rechtlichen Themen wird Litigation-PR (LPR) zunehmend bedeutender. Betrachtet man die Entwicklung von Veröffentlichungen rund um das Thema, lässt sich in dem Zeitraum von 2007 bis 2012 ein gewisser „Hype“ feststellen, der derzeit scheinbar wieder abnimmt. Dies wirft die Frage nach der aktuellen Situation der Litigation-PR in Deutschland auf.
Das in diesem Zusammenhang häufig verwendete Zitat: “Law is from Mars, public relations from Venus” deutet an, wie unterschiedlich Juristen und PR-Berater agieren und lässt erkennen, dass eine Zusammenarbeit beider Bereiche durchaus Schwierigkeiten mit sich bringt. Erfolgreiche Litigation-PR setzt jedoch eine intensive Koope-ration voraus. Denn nur diese kann am Ende zu erwünschten Synergieeffekten führen. Eine Abstimmung der Anwalts- und Kommunikationsstrategie ist dabei unerlässlich, da ein konsistentes Bild in der Öffentlichkeit nur erzeugt werden kann, wenn sich Aussagen, die im Spielfeld des Rechts und im Spielfeld der Medien getätigt werden, nicht widersprechen.
Vor diesem Hintergrund hatte die am Institut für Kommunikationsmanagement an der Hochschule Osnabrück erstellte Masterarbeit den Anspruch, das bestehende Wissen über Litigation-PR und die Zusammenarbeit von Juristen und PR-Beratern wissenschaftlich zu fundieren und Handlungsempfehlungen zu geben.
Die Studie
Um möglichst differenzierte Einschätzungen und Aussagen sowohl von PR-Beratern als auch Juristen erhalten zu können, wurden in der qualitativen, nicht-repräsentativen Studie Leitfadeninterviews mit acht Experten aus Unternehmen, Kanzleien und Agenturen geführt. Die Auswahl der Experten deckt dabei sowohl die unternehmensinterne sowie -externe Perspektive ab.
Executive Summary
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
Entwicklung und Bedeutung von LPR: Zunächst kann festgehalten werden, dass Litigation-PR sich als Begriff bei den Befragten zwar durchgesetzt hat, er aufseiten der Justiziare aber noch nicht bekannt ist. Zudem kann auf Basis der Gespräche konstatiert werden, dass LPR mittlerweile keine Modeerscheinung mehr ist. Der an-fängliche, teilweise von Beratern betriebene „Hype“ ist zwar abgeebbt, jedoch sehen alle Gesprächspartner mit einer Ausnahme die Relevanz von LPR und arbeiten bei ihren Fällen regelmäßig mit LPR-Beratern zusammen. Wie auf Basis der Literatur bereits anzunehmen war, sind sich auch die meisten Gesprächspartner einig darin, dass der Bedarf steigen wird. Auf Basis der Interviews kann überdies vermutet wer-den, dass sich möglicherweise ein neues Berufsfeld des internen LPR-Beraters herauskristallisieren wird – in großen Unternehmen, die regelmäßig mit unternehmens-kritischen Themen konfrontiert werden, könne laut der Befragten der Einsatz eines solchen Beraters sinnvoll sein.
Leistung LPR-Berater: Es konnte herausgefunden werden, dass die in der Literatur dargestellte Selbstüberschätzung der Anwälte in der Praxis nicht (mehr) anzutreffen ist. Die befragten Anwälte erkennen die Leistung der LPR-Berater eindeutig an und meinen, dass ein LPR-Experte im Gegensatz zum Juristen in der Lage sei, medien-relevante Themen zu erkennen und Botschaften mediengerecht zu formulieren sowie gezielt zu platzieren. Überdies seien das Vertrauensverhältnis und der Kontakt zu Journalisten ein wichtiger Aspekt in Krisensituationen – darüber verfügen die Anwälte in der Regel nicht. Dem entspricht auch die Beobachtung des befragten LPR-Beraters, dass bei den Anwälten eine Sensibilisierung stattgefunden habe und sie bei öffentlichkeitsrelevanten Fällen dem Mandanten den Einsatz eines Experten nahelegen.
Insgesamt betonen die Juristen jedoch auch, dass die Zusammenarbeit mit einem LPR-Spezialisten nicht alltäglich ist. Es käme zwar regelmäßig vor, im Verhältnis zu der Gesamtanzahl an Fällen sei es aber nur ein kleiner Teil, der den Einsatz eines Kommunikationsspezialisten erfordere.
Zusammenarbeit PR-Berater und Jurist: Das Zustandekommen der Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien betreffend wurde herausgefunden, dass als Screeningkriterium1 bei der Auswahl einer LPR-Agentur lediglich Empfehlungen und Vertrauen eine Rolle spielen. Andere Kriterien wie der Webauftritt, Referenzen oder die Größe der Agentur sind scheinbar nicht von Bedeutung. So schildern die Anwälte, dass sie mit einem Pool aus zwei bis drei Agenturen zusammenarbeiten, die sie ihren Mandanten empfehlen. Der Kontakt zu diesen Agenturen sei entweder auf Basis von Empfehlungen durch andere Kanzleien oder aufgrund einer vorherigen Zusammenarbeit zustande gekommen.
Sowohl in der internen als auch externen Zusammenarbeit gibt es laut Aussagen der Interviewten kaum Konflikte oder Probleme. Während in der Literatur typische Klischees und Konflikte beschrieben werden, konnten diese also durch dieses Forschungsprojekt nicht bestätigt werden. Einziger Aspekt, der Konfliktgefahr darstellen könnte, bei den Befragten aber zu keinen großen Differenzen führt, ist die unterschiedliche Arbeitsweise der beiden Parteien.
Optimierungsbedarf: Während die Literatur der letzten Jahre zahlreiche Verbesse-rungsvorschläge aufführt, lassen die Erkenntnisse dieser Arbeit die Vermutung zu, dass in den letzten Jahren bereits ein Umdenken stattgefunden hat und sich beide Seiten aufeinander eingestellt haben. Einige grundsätzliche Dinge, die zu einer guten Zusammenarbeit führen, wurden in den Gesprächen thematisiert. Demnach kann die Zusammenarbeit gelingen, wenn Vertrauen, Wertschätzung sowie Respekt bestehen. Zudem sei es in der Kooperation wichtig, sich gegenseitig zuzuhören, die Denkweise des anderen zu verstehen, Verständnis füreinander mitzubringen und das eigene Ego zurückzustellen. Arbeiten beide Seiten in dieser Weise zusammen, können Legalität und Legitimität in Bezug auf das Unternehmen oder den Mandanten bestmöglich in Einklang gebracht werden.
Screening ist ein Mechanismus, Informationsasymmetrien zu reduzieren. Der Begriff stammt aus der Neuen Institutionenökonomik, genauer gesagt aus der „Prinzipal-Agenten-Theorie“. Dort wird Screening definiert als „[…] die vertraglichen und nicht-vertraglichen Lösungsansätze, die der Prinzipal ergreift, um sein Informationsdefizit bezüglich der Eigenschaften des Agenten vor Vertragsabschluss abzubauen“ (Alparslan 2006:29).
Handlungsempfehlungen
Die Leitfadeninterviews zeigten, dass sowohl in den Unternehmen, als auch in der externen Beratung augenscheinlich der richtige Weg gegangen wird. Anstelle von Machtdemonstrationen sind Verständnis und Anerkennung der gegenseitigen Leistungen in den Vordergrund getreten – dies stellt eine unerlässliche Grundlage für eine gute Kooperation dar. Dennoch zeigt sich durch die Gespräche auch weiterer Handlungsbedarf.
Frühzeitiges Kennenlernen und klare Absprachen: Unabhängig von einer Krisensituation sollten beide Abteilungen sich frühzeitig kennenlernen – beispielsweise durch einen Workshop. Auf diese Weise ist es möglich, gezielt das Verständnis fürei-nander zu stärken. Dies wirkt sich dann sowohl auf die alltägliche Zusammenarbeit als auch auf die Zusammenarbeit in Krisensituationen positiv aus. Überdies sind strukturierte und geregelte Prozesse notwendig. Wenn bereits im Alltagsgeschäft die Zusammenarbeit unter fehlenden Absprachen, klaren Ansagen und somit gestörten Abläufen leidet, wird sie insbesondere in einer Krisensituation, die schnelles, aber konzentriertes Handeln erfordert, versagen. Vor diesem Hintergrund ist es ebenfalls wichtig, dass Informationen untereinander offengelegt werden – dies scheint insbesondere in der externen Beratung teilweise nicht zu erfolgen und kann dazu führen, dass die Kommunikationsstrategie nicht bestmöglich auf die Anwaltsstrategie abge-passt werden kann.
Review: Im Anschluss an ein Projekt, eine Krisensituation oder Ähnlichem, ist die Bedeutung eines Review nicht zu unterschätzen. Daher sollten beide Parteien der anderen Seite spiegeln, was aus dem gemeinsamen Projekt geworden ist, d.h. beispielsweise zu erklären, warum Wortlaute oder der Inhalt einer Publikation geändert wurden. Dies hilft, Missverständnisse zu vermeiden und fördert das Verständnis für die Denkweise des Anderen.
Task-Force: Für den Fall einer Krise kann es außerdem sinnvoll sein, eine Task-Force zu bilden und festzulegen, wer bei entsprechenden Krisenszenarien eingebunden wird. Darüber hinaus sollten die Beteiligten im Voraus festlegen, wann der Einsatz eines externen LPR-Beraters notwendig sein könnte. Zudem sollten Kriterien erarbeitet werden, anhand derer man im Ernstfall eine LPR-Agentur auswählt, damit dieser Prozess nicht stattfinden muss, wenn das Unternehmen bereits vor einer möglichen juristischen Auseinandersetzung steht.
Kommunikationsstrategie: Sowohl in der Literatur als auch in den Interviews zeigt sich, dass die Kommunikationsstrategie während einer Krise immer noch häufig durch „Kein Kommentar“ geprägt ist. Dadurch, dass dies in der Öffentlichkeit meist wie ein Schuldeingeständnis wirkt, sollten Unternehmen ihre Strategie diesbezüglich überdenken – die Vorgehensweise hierzu sollte frühzeitig und nicht erst in der Kri-sensituation thematisiert werden.
Fazit & Ausblick
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der Bedarf an professioneller Litiga-tion-PR und abgestimmter Zusammenarbeit der beiden Parteien steigt, wobei die Experten sich einig sind, dass sich nicht alle Agenturen, die derzeit LPR anbieten, auf diesem Gebiet etablieren werden. Für die Zukunft gilt es, die Diskussion um ethi-sche Standards und legitime Instrumente weiter voranzutreiben.
Abschließend bleibt zu sagen, dass LPR keine Wunderwaffe ist. So führen die Be-fragten auch klare Grenzen der prozessbegleitenden Öffentlichkeitsarbeit auf. Dem-nach könne man die Presse nicht instrumentalisieren und man müsse sich dem Risiko bewusst sein, dass sich die Berichterstattung auch negativ auf den Gerichtsprozess auswirken könne.
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