Holzinger und der Mensch Gurlitt
4. April 2014 | Autor: Jens Nordlohne | Keine Kommentare | Artikel drucken
In einem Interview mit der Basler Zeitung gewährt Stephan Holzinger einen (leider nur sehr begrenzten) Einblick in seine Tätigkeit als Litigation-PR Experte für den umstrittenen Kunstsammler Cornelius Gurlitt. Interessant – und aus Sicht des Wahrnehmungsmanagements durchaus erfolgversprechend – ist die Schilderung von Gurlitts Persönlichkeit. Ein Mann, der in seiner eigenen Welt – nur für und mit seinen Bildern – lebt(e), sich der Kommunikation mit einem sozialen Umfeld nahezu entzog, der alt und krank ist: Was will man diesem „zurückhaltenden, sehr diskreten, sehr höflichen Menschen(…),der fast schon verschüchtert wirkt“ (Zitat Holzinger) vorwerfen? Im Zusammenspiel mit der „Fakten-Seite“ www.gurlitt.info wird damit ein Bild gezeichnet, das etwaiger kritischer Berichterstattung die Wucht nehmen soll. Nimmt man die aktuelle Berichterstattung zum Maßstab, scheint das zu gelingen.
Zu gegebener Zeit werden wir die Causa Gurlitt auf dem Litigation-PR-Blog eingehender analysieren und hoffen, dass uns Herr Holzinger für ein ausführliche(re)s Interview zur Verfügung steht.
Litigation-PR – Status Quo der Literatur
2. April 2014 | Autor: Gastblogger | Keine Kommentare | Artikel drucken
Julia Kottkamp
Litigation-PR etabliert sich zunehmend als feste Größe im Spannungsfeld von Justiz, Medien und PR. PR als strategisch-kommunikative Herausforderung bei Rechtsstreitigkeiten gewinnt an Bedeutung. Soweit die Praxis. Wie aber sieht es in der Theorie aus?
Wissenschaftlich ist das Feld nach wie vor nahezu unerforscht. Betrachtet man den gegenwärtigen Stand der Literatur so fällt auf, dass es mittlerweile einiges an Praktiker-Literatur gibt. Auch gibt es Sammelbände mit einzelnen Aufsätzen, die sporadisch verschiedene Themen befassen. Aber eine wirklich durch und durch wissenschaftliche Einordnung des Themas findet sich bis dato nur in der Dissertationsschrift von Ines Heinrich. Sie ordnet sämtliche Literatur, strukturiert diese und leistet so Pionierarbeit auf dem wissenschaftlichen Feld der Litigation-PR.
Die Arbeit erschließt basierend auf deutsch- und englischsprachiger LPR-Literatur und dem aktuellen Wissensstand zur Öffentlichkeitsarbeit in Krisensituationen sowie disziplinübergreifend, u.a. durch Beiträge aus der Rechtswissenschaft, das Berufsfeld Litigation-PR. Der Fokus der Untersuchung liegt auf den Möglichkeiten und Grenzen der Litigation-PR für Unternehmen und ihre Repräsentanten in medienwirksamen Strafverfahren.
Erkenntnisse aus der PR-Praxis werden aufgegriffen und das Phänomen der prozessbegleitenden Öffentlichkeitsarbeit in einem kommunikationswissenschaftlichen Kontext betrachtet und erklärt. Dabei wird ein fundierter Überblick über die Litigation-PR und die Potenziale und Problemfelder einer kommunikativen Bewältigung rechtlicher Auseinandersetzungen sowohl wissenschaftlich als auch praxisnah erarbeitet. Auf diese Weise entsteht ein wissenschaftlicher Überblick, der zeigt, welche Einzelaspekte von Bedeutung sind und erklärt, warum das so ist.
Begrifflichkeiten, die in der (Praktiker-)Literatur immer wieder auftauchen, werden analysiert und erläutert. So etwa die für Litigation-PR charakteristische Unterscheidung zwischen Court of Law und Court of Public Opinion. Den Ursachen für das Interesse der Medien an rechtlichen Auseinandersetzungen wird genauso auf den Grund gegangen wie den Chancen und Möglichkeiten den destruktiven Auswirkungen (negative Publizität) rechtlicher Verfahren durch Kommunikation zu begegnen.
Im Fokus stehen die Anforderungen an die PR in rechtlichen Auseinandersetzungen und das Verhältnis der PR zur Krisen-PR und zum Reputation Management. Hierzu werden die Funktionen und Aufgaben der Litigation-PR, eingesetzte Instrumente sowie aus der praktischen Anwendung heraus entwickelte Methoden aus dem Blickwinkel der Krisenkommunikation und des Reputation Management durchleuchtet. Es wird zudem erforscht, welche Faktoren zum erhalt der Reputation in rechtlichen Auseinandersetzungen entscheidend sind und ob die Handlungsempfehlungen der Praktiker-Literatur zum Schutz der Reputation beitragen können. Ein weiterer Untersuchungsgegenstand ist die theoretische Annäherung und Einschätzung des Wirkungsverhältnisses zwischen PR und Journalismus und der Einflussmöglichkeiten von PR in Rechtsstreitigkeiten.
Fazit: Diese Dissertation ist das wissenschaftliche Überblickswerk zum Thema Litigation-PR. Der Autorin gelingt der Spagat Wissenschaft und Praxis miteinander zu verbinden. Eine Arbeit, von der Theoretiker und PR-Praktiker, aber auch Juristen und Journalisten gleichermaßen profitieren.
Heinrich, Ines: Litigation-PR. PR vor, während und nach Prozessen.
Perspektiven, Potenziale und Problemfelder.
KLR Heinrich Verlag, 2010, Hardcover, 290 Seiten, ISBN 978-3-00-030040-0
44,50 € (zzgl. Versand)
Bestellungen per E-Mail info@klr-heinrich-verlag.de oder Fax + 49 (0)8285/92 89 750
Recht und Schauspiel
16. März 2014 | Autor: Jens Nordlohne | Keine Kommentare | Artikel drucken
Schade, dass Cicero-Autorin Katharina Dippold offensichtlich noch nicht den Beitrag von Julia Kottkamp gelesen hatte. Sie hätte sicher noch weitere erhellende Informationen zum Selbstverständnis deutscher Staatsanwälte in medienwirksamen Diskussionen in ihren Artikel einbauen können. Die Journalistin stellt die Frage, ob sich Rechtsfindung zu einem öffentlichen Schauspiel entwickelt. Die Antwort liegt nach Hoeneß, Edathy und Wulff sicher auf der Hand. Dennoch: lesenswert
Die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften in der Mediengesellschaft
4. März 2014 | Autor: Gastblogger | 1 Kommentar | Artikel drucken
Ergebnisreport der repräsentativen Befragung der Pressesprecher deutscher Staatsanwaltschaften zu ihrer Kommunikationsarbeit
Masterarbeit von Julia Kottkamp
# Einleitung und Forschungsinteresse
Die Steueraffäre um Uli Hoeneß, der Vergewaltigungsprozess von Jörg Kachelmann, die Festnahme Klaus Zumwinkels, die Ermittlungen gegen Jörg Tauss: Alle diese Vorfälle der jüngsten Vergangenheit haben gemeinsam, dass im Verlauf der rechtlichen Bearbeitung der Fälle, die betreffenden Staatsanwaltschaften massiv für ihre jeweilige Kommunikation nach Außen gerügt wurden. Und diese Tendenz scheint nicht abzureißen. Gerade in den letzten Tagen wurde heftig über die Rolle der Staatsanwaltschaften im Zusammenhang mit dem Fall Sebastian Edathy und dem Prozess um den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff diskutiert – der SPIEGEL titelte gar mit „Die Scharfmacher. Eine Klage gegen Deutschlands Staatsanwälte“.
Nach Meinung der kritisierenden Medien und auch der wissenschaftlichen Literatur, wurde der vielbeschriebene Balanceakt zwischen der Erfüllung des öffentlichen Informationsinteresses und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte Betroffener nicht nur nicht gemeistert, sondern zum Teil auch mutwillig missachtet und die Reputationsbeschädigung Beschuldigter bewusst durch die Staatsanwaltschaften in Kauf genommen. Mutmaßungen über die vermeintlich unlauteren Ziele der Strafverfolgungsbehörden wurden laut. Ebenso wurde über die zunehmende Professionalisierung der Behörden in Sachen Kommunikation diskutiert. Die Neutralität der Staatsanwaltschaften wurde angezweifelt, ebenso wie die eingesetzten Kommunikationswerkzeuge angeprangert wurden. In diesem Sinne wurden viele Bedrohungs- und Risikoszenarien sowohl für das Rechtssystem, die Gerichtsberichterstattung, für die zu informierende Öffentlichkeit und für die Betroffenen von Strafverfahren aufgezeigt. Auffällig bei der Kritik war indes, dass nahezu immer dieselben Beispiele angeführt wurden und sich wenig bis gar nicht auf wirkliches Datenmaterial und gesicherte Fakten bezogen wurde.
Ziel der Studie
Ziel der hier vorliegenden Studie war es demnach, erstes empirisch fundiertes Zahlenmaterial zur Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften zu erarbeiten, das die entstandene Diskussion um wissenschaftliche Fakten bereichern sollte, sodass die künftige Auseinandersetzung mit der Thematik nicht länger auf unsystematischen Beobachtungen und Mutmaßungen beruhen muss. Auf diese Weise sollte die Forschungsarbeit einen Beitrag leisten, real existierende Risiken und Schwierigkeiten der Kommunikationsarbeit der Strafverfolgungsbehörden aufzuzeigen. Darüber hinaus ging es vor allem auch darum, die Thematik nicht ausschließlich auf die Kritik zu verkürzen, sondern sie in ihrer gesamten Breite zu betrachten und darzustellen.
Forschungsfrage
Die grundlegende Forschungsfrage lautete daher: Wie stellt sich die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften unter den Kommunikationsbedingungen der Mediengesellschaft dar?
Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden anhand der wissenschaftlichen Literatur folgende Themenbereiche definiert, die die Darstellung der Kommunikationsarbeit der Staatsanwaltschaften kennzeichnen und beeinflussen und die im Zuge der Befragung erhoben werden mussten:
- Das Rollenselbstverständnis von Pressesprechern von Staatsanwaltschaften
- Auswirkungen von Medienpräsenz der Staatsanwaltschaften und Ziele der Öffentlichkeitsarbeit
- Professionalisierung und Organisation der Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Behörden
- Die Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit und die verwendeten Werkzeuge
- Die Stellungnahme zur geäußerten Kritik an ihrer Kommunikationsarbeit
# Durchführung der Studie und Beteiligung
Die Befragung richtete sich an alle Pressesprecher deutscher General- und Staatsanwaltschaften. Nach Ende des Erhebungszeitraums von ungefähr 3,5 Wochen im Februar 2013 konnten insgesamt 108 verwertbare Fragebögen in die Untersuchung einfließen. Dies entspricht einer Beteiligungsquote von 77,7% – 58,3% bei den Generalstaatsanwaltschaften und 81,7% bei den Staatsanwaltschaften.
Das folgende Schaubild verdeutlicht die Beteiligung nach Bundesländern aufgegliedert:
Von den insgesamt 108 Untersuchungsteilnehmern waren 20 weiblich (18,5%) und 88 männlich (81,5%), sodass der Anteil der Pressesprecher, deutlich dem der Sprecherinnen überwiegt.
Ergebnisse
1. Kommunkationsbedingungen und Herausforderungen
In der wissenschaftlichen Literatur werden die Kommunikationsbedingungen für Strafverfahren in der heutigen Mediengesellschaft als ein Umfeld beschrieben, dem stetig größere Aufmerksamkeit zukommt. Sowohl das Interesse an der Berichterstattung über Strafverfahren nehme demnach zu, als auch das Interesse der Bevölkerung an der Arbeit der Justiz. In diesem Sinne bewegen sich Strafverfahren und deren Akteure heutzutage auf einem äußerst lebhaften Schauplatz, den zu kennen, von immenser Wichtigkeit für eine gute Öffentlichkeitsarbeit ist.# Ergebnisse
Die empirische Untersuchung hat gezeigt, dass der wesentliche Teil der befragten Pressesprecher die Kommunikationsbedingungen für Strafverfahren in der heutigen Mediengesellschaft wie in der Literatur beschrieben wahrnimmt. Die Beobachtung der Kommunikationssphäre sollte aber in Zukunft noch weiter intensiviert werden, da der Befund, dass lediglich zwei Drittel der Befragten den Begriff der Litigation-PR kennen, darauf hindeutet, dass nicht alle wichtigen Entwicklungen im Kommunikationsumfeld von Strafverfahren erkannt werden.
Darüber hinaus wird anhand der Ergebnisse deutlich, dass die Pressesprecher der Staatsanwaltschaften diese neuen Kommunikationsbedingungen zwar weitestgehend wahrnehmen, allerdings den daraus resultierenden Herausforderungen zu wenig gegenüber gewappnet sind. Immerhin 51,9% der Befragten stimmen der Frage „eher nicht zu“, ob die Justiz gut gegenüber den neuen Kommunikationsbedingungen eingestellt sei, sodass davon auszugehen ist, dass den entsprechenden Anforderungen nicht immer angemessen begegnet werden kann.
2. Rollenselbstverständnis
Das Rollenselbstverständnis von Pressesprechern von Staatsanwaltschaften ist für die Untersuchung ein interessanter Bereich, da es den intrinsischen Motivationsrahmen für die Außendarstellung der Behörde beschreiben kann. In der Literatur werden sowohl neutrale ((Wahrheits-)Ermittler, Gesetzeswächter und Kontrollorgan), als auch parteiische Rollenzuschreibungen (Ankläger, bzw. möglicher Kontrahent des Angeklagten) der Strafverfolgungsbehörden diskutiert.
In Anlehnung an die Literatur ging eine Annahme dieses Forschungsbereichs davon aus, dass das Rollenselbstverständnis von Pressesprechern hinsichtlich der Arbeit der Staatsanwaltschaft nicht uneingeschränkt objektiv sei. Im Laufe der Untersuchung wurde dies bestätigt, wenn auch im Umkehrschluss nicht von einem generell parteiischen Selbstbild gesprochen werden darf. Vielmehr haben die Ergebnisse deutlich gemacht, dass eine grundlegende Zustimmung zu dem Prinzip der Objektivität herrscht, die tägliche Arbeit aber auch Ausreißer produziert. Die Rolle des Ermittlers und Anklägers scheint in diesem Zusammenhang eine größere Bedeutung für die befragten Pressesprecher zu haben, als die Rolle des Gesetzeswächters und Kontrollorgans.
Darüber hinaus war es überraschend, dass über ein Drittel der Befragten angibt, einen Prozess gewinnen zu wollen.
Das bemerkenswerteste Ergebnis in diesem Themenbereich ist allerdings, dass sich ein gutes Drittel der Befragten scheinbar tatsächlich von den Anforderungen an die verschiedenen Rollenzuschreibungen überfordert fühlt. Der Aussage „Diese verschiedenen Aufgaben (Ermittler, Ankläger und Kontrollorgan/Gesetzeswächter) können einen manchmal überfordern“ stimmen 24,5% der Befragten „eher zu“, während jeder zehnte Pressesprecher (10,8%) sogar „voll und ganz“ zustimmt. Insofern sollte sehr streng beobachtet werden, ob die Staatsanwaltschaften wirklich in der Lage sind, die ihnen angetragenen Positionen in all ihren Facetten auszufüllen.
3. Medienpräsenz und Ziele
Der dritte Themenbereich beschäftigte sich mit den vermuteten Auswirkungen hoher Medienpräsenz auf die Staatsanwaltschaften und mit den generellen Zielen der Öffentlichkeitsarbeit. In der Literatur wurde gemutmaßt, dass eine starke Berichterstattung über Strafverfahren bestimmter Staatsanwaltschaften auch die Personalausstattung innerhalb der Behörde verbessere, zu einer intensiveren Verfahrensführung beitrage und die Unanhängigkeit gegenüber der Politik stärke, als auch bei der Strafverfolgung helfe.
Die Befragung konnte zeigen, dass eine hohe Medienpräsenz einer Staatsanwaltschaft aus Sicht der Pressesprecher keine positiven Auswirkungen auf die jeweilige Behörde hat. Insofern wurde die Forschungsannahme nicht bestätigt, so dass die diesbezüglichen Stimmen aus der Literatur vielmehr als Einzelmeinungen gewertet werden müssen. Vor diesem Hintergrund sei dann auch der Rückschluss erlaubt, dass keine Motivation der Pressesprecher besteht, die Medienpräsenz der eigenen Behörde von sich aus zu erhöhen – zumindest nicht hinsichtlich der genannten Punkte.
Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Erfüllung des öffentlichen Informationsinteresses einen großen Stellenwert in der täglichen Kommunikationsarbeit der Staatsanwaltschaften einnimmt. Auch bei den intrinsischen Motivationsfaktoren bekamen die Ziele hohe Zustimmungswerte, die laut der Literatur als legitime Ziele der Öffentlichkeitsarbeit bezeichnet wurden (z.B. die richtige Darstellung der eigenen Position in der Öffentlichkeit zu erreichen und eine ausgewogene Berichterstattung zu erzielen). Vor diesem Hintergrund kann man den Staatsanwaltschaften eher keine zu kritisierenden Ziele bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit vorwerfen, so dass zumindest für diesen Themenbereich keine konkrete Kritik an der staatsanwaltschaftlichen Kommunikationspolitik angemessen erscheint.
4. Professionalisierung und Organisation
Ein wichtiger Bereich der Forschungsarbeit war die Beschäftigung mit den strukturell-administrativen und organisatorischen Grundlagen für die Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Strafverfolgungsbehörden. Auf Basis der erhoben Daten kann der Professionalisierungsgrad der Kommunikationsarbeit bestimmt werden, der wiederum Aussagen darüber zulässt, welchen Stellenwert diese in den Behörden einnimmt und inwieweit den gesetzlichen Anforderungen zur Öffentlichkeitsarbeit nachgekommen werden kann.
Die wissenschaftliche Literatur beschreibt die Organisation der Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Staatsanwaltschaften mittlerweile als flächendeckend professionalisiert. Diese Annahme kann aufgrund der erhobenen Daten nicht bestätigt werden. Die Ergebnisse des entwickelten Professionalisierungsindex, der sich aus sechs verschiedenen Einzelaspekten zusammensetzt, lassen demnach nur einen mittleren Professionalisierungsgrad erkennen (3,44 Punkte von möglichen 6) – die persönliche Eignung der Pressesprecher ist allerdings als gut einzuordnen. Zwar sind deutschlandweit eigene Pressestellen für die Staatsanwaltschaften eingerichtet, allerdings steht allgemein sehr wenig Arbeitszeit für die Außenkommunikation zur Verfügung. In lediglich 9,3% der befragten Staatsanwaltschaften sind über 50% der gesamten Arbeitszeit des Pressesprechers auch für die Öffentlichkeitsarbeit bestimmt. Deutschlandweit gibt es nur eine Staatsanwaltschaft, die eine 100%-Stelle für Pressearbeit eingerichtet hat. Darüber hinaus stehen dem Pressesprecher in drei Vierteln der Fälle keine unterstützenden Mitarbeiter zur Verfügung. Es wird deutlich, dass die Öffentlichkeitsarbeit als „Nebenbei-Geschäft“ zu sonstigen anfallenden Aufgaben gesehen wird. In 6,5% der Staatsanwaltschaften ist außerdem nur ein Pressesprecher tätig, der erstaunlicherweise noch nicht mal auf einen Stellvertreter zurück greifen kann. In 17,5% der Staatsanwaltschaften ist der Pressesprecher außerdem auch der Behördenleiter, was neben der hohen Arbeitsbelastung auch zu anderem Konfliktpotential führen kann. Darüber hinaus wurde deutlich, dass 44,3% der befragten Pressesprecher ausschließlich während der üblichen Geschäftszeiten für Journalisten erreichbar sind, ein Wert, der den Anforderungen und Arbeitspraktiken der Berichterstatter sicher nicht angemessen ist. Als absolut ausbaufähig sollte auch die Kennzahl verstanden werden, wonach lediglich knapp die Hälfte der Befragten „regelmäßig“ an Schulungen zur Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit teilnimmt.
Dass es Schwachstellen und gehöriges Verbesserungspotential bzgl. der Organisation der Öffentlichkeitsarbeit gibt, wird auch deutlich, wenn die Pressesprecher ihre selbstwahrgenommenen Arbeitsbedingungen bewerten. Gerade im Hinblick auf die Personalausstattung und die eigene Fachausbildung werden nur befriedigende Noten vergeben. Auch die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten innerhalb der Behörden werden im Durchschnitt nur mit 2,9 bewertet (Schulnoten 1-6). Und auch, das selbstwahrgenommene Wissen hinsichtlich des Umgangs mit den Medien ist mit durchschnittlich 2,4 noch ausbaufähig.
Insofern zeigt sich hinsichtlich der Forschungsfrage, dass anders als in der Literatur behauptet, nach wie vor strukturelle und organisatorische Schwierigkeiten in den Pressestellen von Staatsanwaltschaften bestehen. Es empfiehlt sich für jede Staatsanwaltschaft, ihre Ressourcen für Öffentlichkeitsarbeit zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen, ob die Kommunikationsarbeit ihren Anforderungen gerecht wird. Gute Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften ist wichtig und sollte die notwendigen Arbeitsbedingungen zur Verfügung stehen haben. Es gilt ein Bewusstsein unter den Verantwortlichen zu schaffen, die dies unterstützen und anregen können.
5. Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit und verwendete Werkzeuge
Hinsichtlich der verwendeten Werkzeuge für die tägliche Öffentlichkeitsarbeit ist zu erkennen, dass nur wenige PR-Instrumente täglich zum Einsatz kommen. Darüber hinaus werden aktive Werkzeuge der Öffentlichkeitsarbeit (also Werkzeuge, die von sich aus den Kontakt zu Journalisten herstellen) nur sehr sparsam eingesetzt. Gerade die Medien des Web 2.0 finden aus verschiedensten Gründen (u.a. scheinbar unpassend für die Kommunikationsarbeit von Staatsanwaltschaften, technische Bedenken und mangelnde zeitliche und personelle Ressourcen) überhaupt keine Anwendung. Hinsichtlich der angesprochenen Qualitätsoptimierung muss angemerkt werden, dass Arbeitsmittel, die die Qualität der Öffentlichkeitsarbeit verbessern würden, noch zu selten zum Einsatz kommen. Hier sind die systematische Erstellung von Pressespiegeln und die regelmäßige Evaluation der Öffentlichkeitsarbeit besonders zu erwähnen. Weitestgehend gut organisiert scheint hingegen die interne Kommunikation, die in den Behörden stattfindet. Diese kann ein guter Bestandteil eines kontinuierlichen Informationsflusses in den Staatsanwaltschaften sein und insofern positive Auswirkungen für die Öffentlichkeitsarbeit befördern.
In ihrer Ausrichtung scheint die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften weitestgehend reaktiv zu sein, also auf Journalistenanfragen reagierend, wobei festgestellt wurde, dass heute bereitwilliger nach Außen kommuniziert wird und das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Behörden gestiegen ist. Drei Viertel der Befragten gaben an, dass ihre Öffentlichkeitsarbeit „eher reaktiv“ ausgelegt sei. In den seltensten Fällen suchen die Pressesprecher demnach selber den Kontakt zu den Medien. Uneinig waren sich die Befragten darüber, welchen Stellenwert eine aktive Öffentlichkeitsarbeit in der Zukunft haben werde. Die Antworten machten den Eindruck, dass die positiven Auswirkungen einer aktiveren Öffentlichkeitsarbeit noch nicht erkannt wurden bzw. die aktive Kommunikation als nicht notwendig eingeschätzt wird. Demnach kann die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften bislang als eher konservativ bezeichnet werden. Es macht nicht den Anschein, als ob die Staatsanwaltschaften selber mit großer Konsequenz in die Medien drängen, sodass zunächst von keinem Risiko ausgegangen werden muss, dass die Staatsanwaltschaften selber zu einer weiteren Medialisierung von Strafverfahren beitragen.
6. Stellungnahme zur Kritik
Abschließend beschäftigte sich die Studie mit der Stellungnahme der Pressesprecher zu der in der Literatur angeführten Kritik. Im Wesentlichen wird hier die Verletzung von Persönlichkeitsrechten Betroffener angeprangert, als auch die Missachtung der Unschuldsvermutung in der Kommunikation nach Außen oftmals verbunden mit einer mangelnden Objektivität. Die Führung von Hintergrundgesprächen wird kritisiert, als auch die Inszenierung in den Medien zum Erreichen eigenen Ziele, resultierend aus persönlichen Eitelkeiten, der Imagepflege für die Behörde auch aus Gründen der Absicherung gegenüber der Politik.
Zwei Drittel der Befragten beurteilen die genannten Kritikpunkte als „total unberechtigt“. Ein weiteres Drittel empfindet sie als „eher“ nicht berechtigt, sodass hier durchaus davon ausgegangen werden darf, dass in Einzelfällen die Kritik allerdings schon ihre Berechtigung haben könnte. Gründe für das Zustandekommen der Kritik sehen die Pressesprecher u.a. in der Verallgemeinerung von Einzelfällen und in der Tatsache, dass die Verletzung der Persönlichkeitsrechte keine festen Grenzen kenne und insofern jeder eine andere Beurteilungsgrundlage anlege. Außerdem sehen die Befragten die Medien in der Schuld, die in ihrer Berichterstattung oftmals dazu tendierten, ein Strafverfahren als einen Konflikt zwischen zwei Parteien zu inszenieren, bei dem es Gewinner und Verlierer gäbe. Dadurch entstünde der Eindruck, die Staatsanwaltschaft wolle als Sieger aus einem Konflikt hervorgehen.
Darüber hinaus wurden Motive untersucht, die in der Literatur als mögliche Motivationsgründe angeführt werden, doch hin und wieder in der Kommunikationsarbeit über das gewünschte Maß an Aufklärung hinaus zu schießen. In diesem Zusammenhang wird u. a. diskutiert, dass es reizvoll für Pressesprecher erscheine, sich medial einen Namen zu machen und große mediale Prozesse durchaus die Reputation innerhalb der Behörde stärkten. Darüber hinaus wird die Imagepflege der Staatsanwaltschaften angesprochen, die durch große Prozesse ihre Rolle der Öffentlichkeit präsentieren könnten. Es wird außerdem davon gesprochen, dass immer mehr Verteidiger in der Öffentlichkeit kommunizierten und in diesem Zusammenhang auch die Staatsanwaltschaften gefordert seien.
Die Untersuchung hat im Ergebnis gezeigt, dass die in der Literatur genannten Motive für eine teilweise zu offensive Kommunikationsarbeit durchaus ihre Berechtigung haben können. Anhand eines ermittelten Indexes von allen Antworten dieses Fragebereichs ist zu erkennen, dass zwar der überwiegende Teil der Befragten den genannten Gründen nicht zustimmt (9,7% „stimme überhaupt nicht zu“, 45,6% „stimme eher nicht zu“, 7,8% „neutral“), allerdings gibt es aber auch ein gutes Drittel, das sich diesen Gründen nicht komplett verschließt (30,1% „stimme eher zu“, 6,8% „stimme voll und ganz zu“).
Im Hinblick auf die Beantwortung der Forschungsfrage aus diesem Themenbereich kann also angemerkt werden, dass die Pressesprecher selber wenig von der in der Literatur geäußerten Kritik als gerechtfertigt ansehen. Mögliche Motive, für ein fehlerhaftes Verhalten konnten aber dennoch nicht vollends entkräftet werden.
# Handlungsempfehlungen und Fazit
In der Summe der Ergebnisse war zu erkennen, dass die Darstellungen in Medien und Wissenschaft über die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften nicht immer der Realität entsprechen und die Wissenschaft gut daran tut, weitere empirische Studien zu der Thematik anzufertigen, um besser über den Stand der Disziplin urteilen zu können.
Für die staatsanwaltschaftliche Kommunikationspraxis zeigt die Studie einige wesentliche Handlungsempfehlungen auf:
1. Guckt besser hin!
Eine gute Öffentlichkeitsarbeit beginnt mit der Kenntnis des Kommunikationsumfeldes. Wo wird kommuniziert? Was wird kommuniziert und vor allem, wer kommuniziert? Die Zielgruppen der Öffentlichkeitsarbeit müssen in Zukunft genauer definiert werden und es müssen bessere Maßnahmen geschaffen werden, sich den Herausforderungen der Mediengesellschaft zu stellen.
2. Definiert euch!
Wer erfolgreich kommunizieren will, muss wissen, wer er ist. Es wurde deutlich, dass es Schwierigkeiten hinsichtlich eines einheitlichen Rollenselbstverständnisses der Staatsanwaltschaften gibt. Das Ziel sollte sein, eine eigene Identität zu entwickeln und Vertrauen in diese in den verschiedenen Zielgruppen zu erreichen.
3. Steckt Ziele ab!
Dass die Erfüllung des öffentlichen Informationsinteresses eine wichtige Rolle bei der Öffentlichkeitsarbeit ist, ist unbestritten. Dennoch sollte hinterfragt werden, was die staatsanwaltschaftliche Öffentlichkeitsarbeit außerdem noch kann. Ist sie tatsächlich nur „lästiges Übel“ oder kann sie unter Umständen mehr? Alt eingesessene Denkweisen gilt es zu überwinden, und neue Möglichkeiten auszuloten!
4. Professionalisiert euch!
Bislang werden zu viele Ressourcen bei der Organisation der Öffentlichkeitsarbeit verschenkt. Das Schulungsangebot ist ausbaufähig bzw. bleibt zu oft ungenutzt, die Arbeitsbedingungen in den Behörden sind suboptimal und bei der Auswahl der Pressesprecher erscheint es durchaus legitim, auch Unterstützung von Kommunikationsexperten einzuholen. Die Außendarstellung wird in den nächsten Jahren nicht an Wichtigkeit abnehmen. Es gilt, diesen Herausforderungen inhaltlich, aber auch strukturell-administrativ gewachsen zu sein.
5. Lernt dazu!
In diesem Zusammenhang sollte auch ein Umdenken in der Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit stattfinden. Welche Möglichkeiten verspricht eine aktivere Kommunikationspolitik? Ist diese gleichbedeutend mit schlecht „mehr Kommunikation“, die dann wiederum kritisiert würde oder hat sie Vorteile, die einfach mit der Zeit gehen und nur den Herausforderungen der Mediengesellschaft dienen? Die Kommunikationsstrategien sollten überdacht werden und sich nicht gegenüber neuen Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten verschlossen werden.
6. Stellt euch!
Die Kritik an der staatsanwaltschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit wird nicht verstummen, zu sehr eignet sich die Behörde für die Medien dazu, das attraktive Bild vom armen Angeklagten und vom mächtigen Ankläger in bunten Farben auszuschmücken. Die Staatsanwaltschaften sollten hier nicht den Fehler machen und alle Schuld von sich weisen. Es ist ein Zeichen von Glaubwürdigkeit, sich der Kritik zu stellen, manche Fehler einzugestehen und sich an einer Diskussion zu beteiligen. Es gilt die unterschiedlichen Meinungen im Blick zu haben und angemessen darauf zu reagieren!
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Dieser Beitrag wurde verfasst von
Julia Kottkamp, M.A.
mail@juliakottkamp.de
www.about.me/julia.kottkamp
https://www.xing.com/profile/Julia_Kottkamp
Die Studie erscheint im Sommer im Springer Research Verlag.
Stutenbissigkeit zwischen Anwälten und Beratern?
1. März 2014 | Autor: Jens Nordlohne | Keine Kommentare | Artikel drucken
PR-Offensive: Gurlitt-Anwälte stellen Öffentlichkeit her
18. Februar 2014 | Autor: Gastblogger | 1 Kommentar | Artikel drucken
Dipl.-Jur. Mirko Laudon betrachtet auf Strafakte.de die Öffentlichkeitsarbeit der Gurlitt-Anwälte:
Der Öffentlichkeitsgrundsatz gehört zu den beherrschenden Prozessmaximen des deutschen Strafrechts. Im Fall des Kunsthändlersohns Cornelius Gurlitt stellen seine Anwälte nun gemeinsam mit den Litigation-PR Experten „Holzinger Associates“ eine „breite Öffentlichkeit“ her, um ihren Argumenten Gehör zu verschaffen und nicht zuletzt, um Druck auf die Staatsanwaltschaft Augsburg auszuüben und diese zur Rückgabe der Bilder anzuhalten.
Bisher gingen Veröffentlichungen zum Fall der vermeintlichen Raubkunst nahezu ausschließlich von Strafverfolgungsbehörden aus, die seit kurzem immer aggressiver Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass es nunmehr die Anwaltschaft ist, die in Sachen Litigation-PR den Staatsanwaltschaften hinterherhinken.
Fakten und Argumente zum Fall Gurlitt
Cornelius Gurlitt hat sich gegenüber der Presse stets nur sehr zurückhaltend geäußert und die Öffentlichkeit ansonsten gemieden. Nun laufen allerdings seine Anwälte zu Höchstform auf und haben eine eigene Internetseite „Gurlitt.info“ online gestellt, auf der sie behaupten, dass nur ein Bruchteil der Bilder überhaupt unter Raubkunstverdacht stehe – nämlich lediglich 3% der insgesamt 1.280 Werke aus dem Schwabinger Kunstfund.
Mit den Worten „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstinteressierte.“ wendet sich Gurlitt auf der professionell aufgemachten Internetseite an die Besucher. Es wird dargestellt, dass er seine Aufgabe darin sehe, die Sammlung seines Vaters zu erhalten und zu bewahren. Trotzdem stelle er sich auch offen seiner historischen Verantwortung. Die Anwälte führen aus, dass es in Deutschland viele öffentliche und private Sammlungen gebe, in denen ein viel höherer Anteil an potentieller Raubkunst vermutet wird. Die Kritik wird wie folgt auf den Punkt gebracht:
Dennoch haben die Behörden, welche durch Indiskretionen den Fall überhaupt öffentlich gemacht haben, ohne stichhaltige Beweise die gesamte Sammlung unter Raubkunstverdacht gestellt. Bis heute gibt es für diese pauschalen Behauptungen überhaupt keine konkreten Belege oder Indizien.
Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen
Ein derartiger Schritt in die Öffentlichkeit mit völlig offener Einflussnahme durch Litigation-PR dürfte bislang einmalig in der deutschen Strafprozessgeschichte sein. Besondere Situationen erfordern jedoch auch besondere Maßnahmen. Im Gegensatz zu der Öffentlichkeitsarbeit einer Staatsanwaltschaft ist man schließlich auch nicht an die Objektivität der Darstellung gebunden, sondern kann vielmehr seine eigene Sichtweisen verdeutlichen.
Jahrelange Prozess-Schlachten vermeiden
31. Januar 2014 | Autor: Gastblogger | Keine Kommentare | Artikel drucken
Welche Trends und Tendenzen Litigation-PR 2014 prägen werden
Im vergangenen Jahr sind wieder einmal zahlreiche Wirtschaftsprozesse durch die Medien gegangen. Auch im Jahr 2014 werden Gerichtstermine, bei denen vor den Augen der Öffentlichkeit um Milliarden gestritten wird, den Kommunikationschefs wieder schlaflose Nächte bereiten. Professionelle Litigation-PR, also die strategische Rechtskommunikation während und nach juristischen Auseinandersetzungen, kann dazu beitragen, drohende Reputationsschäden zu mindern. Hier habe ich dazu mal die wichtigsten Trends für 2014 zusammengestellt.
1. Die Bedeutung außergerichtlicher Einigungen nimmt zu.
Für diese Entwicklung gibt es verschiedene Ursachen: Heute sind viele Zivil- und Wirtschaftsstrafprozesse zu lang. Während eines solchen Verfahrens können den beteiligten Unternehmen massive Reputationsschäden drohen. Nicht nur bei den Prozessen gegen Banken infolge der Finanzkrise werden immer komplexere Straftatbestände untersucht. Zur Klärung werden viele Gutachten und Gegengutachten in Auftrag gegeben. Die FAZ beklagt gar eine “Geiselnahme im Gerichtssaal“. Um langwierige Prozesse abzukürzen und schwere Reputationsschäden zu vermeiden, nehmen außergerichtliche Einigungen eine größere Bedeutung ein.
2. Die Anforderungen an die Kommunikation während eines Prozesses nehmen zu.
Die steigende Komplexität der Prozesse lässt auch die Anforderungen an professionelle Litigation-PR-Berater steigen. Rechtskommunikation zählt zu den anspruchsvollsten Feldern der PR. Je nach Mandat wird eine Vielzahl an Fähigkeiten von den Beratern erwartet. So spielt neben der Industrie-Expertise (Finanzen, Energie, Gesundheit), Public Affairs und Medienarbeit eine wichtige Rolle. Im Laufe eines Prozess gibt es auch immer wieder Phasen, in denen Krisenkommunikation und Reputation Management benötigt werden. Unternehmen sind gut beraten, sich im Zuge eines Gerichtsprozesses um eine professionelle Litigation-PR zu bemühen.
3. Reputationsschäden bei rechtlichen Auseinandersetzungen entstehen für Unternehmen immer früher.
Als sich der damalige CEO der Deutschen Bank, Josef Ackermann, im Jahr 2010 zu einem öffentlichen Victory-Zeichen hinreißen ließ, war der Mannesmann-Prozess bereits in vollem Gange. Mit der Geste schaffte er es, mit seinem Bild nicht nur unter die Überschrift „Die Arroganz der Mächtigen“ in den „Stern“. Sie schädigte auch die Reputation der Bank nachhaltig. Heute entstehen Reputationsschäden für Unternehmen häufig bereits vor dem ersten Gerichtstermin. Im Dezember 2012 durchsuchten 500 Beamte Büros und zahlreiche Wohnungen der Deutschen Bank. Es ging um den Verdacht der Geldwäsche und der versuchten Strafvereitelung. Rasch entstanden erste mediale Vorverurteilungen und Reputationsschäden. Um dies bestmöglich zu verhindern, müssen Litigation-PR-Experten frühzeitig mit eingebunden werden.
4. Unternehmen müssen ihren Stakeholdern ihre Position vor Gericht besser erklären.
Zwei Entwicklungen sind hier maßgeblich: Nur wenige Akteure verstehen die Materie in den immer komplizierteren Prozessen. Auch die relevanten Stakeholder des Unternehmens sind oft unzureichend informiert. Die zweite Entwicklung findet in den Medien statt. Redaktionen werden ausgedünnt. Die Zeit für Recherchen, wie sie bei Prozessen notwendig ist, nimmt ab. Bis auf wenige Ausnahmen bei überregionalen Blättern ist der Wegfall der Gerichtsreporter auf breiter Front zu beklagen. In der Folge gerät die Reputation von Firmen stark unter Druck.
Unternehmen müssen die Kommunikation von Rechtsstreits in die Hände von Profis legen. So lautet die Empfehlung aus den genannten vier Trends. Aktuell lässt sich noch ein Missverhältnis beobachten: Unternehmen machen bspw. professionelle Investor Relations, stellen Unterlagen zur Verfügung und informieren die Medien. Anders sieht es häufig im Gerichtssaal aus: Viele am Prozess beteiligte Unternehmen lassen die Journalisten mit kompliziertesten juristischen Sachverhalten alleine. In der Folge riskieren sie die Reputation des Unternehmens durch falsche oder tendenziöse Berichterstattung – oftmals durch schlichte Unkenntnis des Prozess-Hintergrunds. Es geht um nicht weniger als die Professionalisierung der Litigation-PR. Dann kann Litigation-PR dazu beitragen, jahrelange Prozess-Schlachten ihrer Mandanten zu vermeiden.
Daniel Konrad ist Berater bei FleishmanHillard. Im Bereich Corporate Affairs betreut er nationale und internationale Kunden. Zu seinen Schwerpunkten zählt Litigation-PR sowie Fragen rund um das Thema Compliance. Er schreibt auch für den True-Affairs-Blog.
Juristisch-mediales Feuerwerk
24. Dezember 2013 | Autor: Gastblogger | Keine Kommentare | Artikel drucken
Welche Zivilprozesse 2013 für Schlagzeilen und Litigation-PR sorgten
Jährlich ist es an Silvester guter Brauch. Vor Gericht und im Bereich Litigation-PR wurde bereits im abgelaufenen Jahr das ein oder andere Feuerwerk entzündet. In zahlreichen Zivilprozessen wurde Litigation-PR eingesetzt – in anderen wäre ihr Einsatz für die Prozessbeteiligten besser gewesen. Litigation-PR: der Blog stellt die spannendsten Prozesse 2013 aus den Bereichen Food, Health und Banking vor.
Mit den Worten „der Bulettenkrieg eskaliert“ berichteten die Medien über die vermehrten Schließungen und Insolvenzverfahren im Zusammenhang mit dem Unternehmen Burger King, das in den Händen einer britischen Investmentfirma ist, und seinen Franchisenehmern und Investoren. Der Vorwurf: Burger King versuche durch „willkürliche“ und „über die Maßen“ kritische Überprüfungen der Restaurants sowie unter Einsatz von außerordentlichen Kündigungen die Zahl der Franchisenehmer und Investoren gezielt zu reduzieren. Zusammen mit einer großen internationalen Kanzlei bereiten nun Franchisenehmer und Investoren Klagen gegen Burger King vor, weil sie sich vom Unternehmen hinsichtlich der Renditeerwartungen getäuscht fühlen. Litigation-PR-Experten suchen weitere ehemalige oder noch aktive, von Burger King getäuschte Investoren und Franchisenehmer.
Klagewellen auf dem Klinikmarkt
Anfechtungsklagen, Strafanzeigen, Drohungen, Vorwürfe – seit Sommer liefert sich Klinikbetreiber Rhön-Klinikum mit mehreren Aktionären einen Kampf um die Macht. Das Unternehmen hatte zuvor die 90 Prozent-Klausel aus seiner Firmen-Satzung gekippt – allerdings wurden die Stimmen von Großaktionär B. Braun aus juristischen Gründen nicht mitberücksichtigt. Durch die Änderung könnte der Gesundheitskonzern Fresenius nun einen zweiten Anlauf zur Übernahme von Rhön starten. 2012 hatten B. Braun und der Klinikkonzern Asklepios die Übernahmehürde genutzt und die Pläne zur ersten Übernahme durch Fresenius vereitelt.
Seit Sommer ist der Gesellschafterstreit bei der Rhön-Klinikum AG entbrannt. Litigation-PR kann in einem derart komplexen Geflecht von Prozessen, die Reputation der Klinikbetreiber schützen. Mit dem Ansehen privater Klinikbetreiber ist es nicht zum Besten bestellt. Andererseits kann Litigation-PR auch auf eine außergerichtliche Einigung hinwirken, die Mitarbeiter, Patienten, Politiker und Investoren beruhigen könnte.
Deutsch-österreichischer Bankenzwist
In der Bankenwelt erhitzt der internationale Rechtsstreit zwischen der BayernLB und ihrer ehemaligen österreichischen Tochter Hypo Alpe Adria (HGAA) die Gemüter. Gegenstand der juristischen Auseinandersetzung sind u.a. die Milliardenkredite, die die BayernLB der HGAA gewährte, als diese während der Finanzkrise in Turbulenzen geriet. Ende 2009 gab die Bayern LB die HGAA an die Republik Österreich zurück. Die HGAA stoppte Ende 2012 die Rückzahlung eines Kredits mit einem Gesamtvolumen von gut vier Milliarden Euro an die Münchner mit Verweis auf das Österreichische Eigenkapitalgesetz (EKEG). Diese Auseinandersetzung ist die wichtigste von einer Vielzahl von Prozessen, die zwischen beiden Akteuren in München, Wien und Klagenfurt verhandelt werden.
Bei dem Prozess um die Milliardenkredite spielt Litigation-PR eine wichtige Rolle, da das Thema beispielsweise für Journalisten kaum zu überblicken ist. Neben klassischer Medienarbeit ist die Aufgabe von Litigation-PR jedoch vor allem die Arbeit mit politischen Stakeholdern. Schließlich ist die HGAA im österreichischen Staatsbesitz und die BayernLB gehört zu 75 Prozent dem Freistaat. Führende Landespolitiker der bayrischen Bank saßen lange Zeit im Verwaltungsrat. Politiker in Deutschland und Österreich sprechen ein gewichtiges Wort bei der Zukunft beider Banken mit.
Alle drei Prozesse finden große Beachtung durch die Medienöffentlichkeit. Als Zivilprozesse werden sie noch Jahre dauern bis es zu einem Urteil kommt. Auch im Jahr 2014 und darüber hinaus sind daher auch noch einige Feuerwerke der Litigation-PR zu erwarten.
Daniel Konrad ist Berater bei FleishmanHillard. Im Bereich Corporate Affairs betreut er nationale und internationale Kunden. Zu seinen Schwerpunkten zählt Litigation-PR sowie Fragen rund um das Thema Compliance. Er schreibt auch für den True-Affairs-Blog.
Ein Fall für Litigation-PR – Die Finanzindustrie zeigt: Prozesse sind relevante Reputationsrisiken
4. November 2013 | Autor: Gastblogger | Keine Kommentare | Artikel drucken
Gastbeitrag von Daniel Konrad
Juristische Auseinandersetzungen zählen zu den stärksten Reputationsrisiken. Sensitive Industrien wie beispielsweise Pharma, Food und Banking sind davon besonders betroffen. Häufig beginnt der Reputationsschaden nicht erst mit dem ersten Verhandlungstag. Immer öfter klopft die Staatsanwaltschaft beispielsweise bei Finanzdienstleistern mit Durchsuchungsbefehl an die Tür. Die Medien erfahren von der Maßnahme – auf verschiedensten Informationswegen bis hinzu sogenannten Durchstoßgeschichten – und orakeln über die Gründe der Maßnahme. Schnell nimmt ein solches Thema in den Medien Fahrt auf. Litigation-PR kann als prozessbegleitende Kommunikation den Klienten unterstützen und seine Geschichte – koordiniert mit der anwaltlichen Strategie – in die Medien tragen – oder auch aus ihnen heraushalten. Ein Klient muss auch und gerade während eines Prozesses im „Gerichtsaal der Öffentlichkeit“ sprachfähig und präsent sein. Eine unvollständige, falsche oder in anderer Weise tendenziöse Berichterstattung schädigt die Reputation.
Für Banken, die in Prozesse verwickelt sind, kann dies absehbar nicht nur zur Bedrohung für die empfindliche Reputation sondern auch für die Bilanz werden. Führende internationale Banken bilden daher Rückstellungen in Millionenhöhe: die UBS gab Rückstellungen für Prozesse in Höhe von 700 Mio. Euro bekannt. Die Deutsche Bank taxiert ihre Rückstellungen auf 620 Mio. Euro und halbierte damit ihren letzten Quartalsgewinn. Diese Einzelbeispiele spiegeln einen eindeutigen Trend wider: Mehr als die Hälfte der amerikanischen Unternehmen haben nach Aussage des Beratungsunternehmens Alix Partners ihre Ausgaben für Litigation erhöht. Hinter den abstrakten Zahlen verbergen sich, wie im Fall Deutsche Bank gegen Leo Kirch, oftmals jahrelange rechtliche Auseinandersetzungen, die in der Öffentlichkeit oft schwere Reputationsschäden hinterlassen.
Zu diesem Ergebnis kommt auch eine aktuelle Studie des Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmens ACE-Group . 29 Prozent der befragten Unternehmen schätzen Litigation als eines der größten Reputationsrisiken, die Einfluss auf den Geschäftserfolg haben. Die befragten Unternehmen stammen aus Deutschland, Benelux, Großbritannien, Schweiz, Frankreich, Italien und Spanien. Damit liegt Litigation auf der Liste der Risiko-Faktoren zwar hinter Umsatzrückgängen und negativer Medienberichterstattung aber vor negativer Markenwahrnehmung und dem Verlust von Arbeitnehmern. Der Wert für Litigation mit 29 Prozent beachtlich hoch – vergleicht man ihn mit der Häufigkeit von juristischen Auseinandersetzungen in Unternehmen.
Die Zahl der Klagen und damit der Bedarf von Litigation-PR wird noch steigen, wenn aktuelle Pläne der Europäischen Kommission umgesetzt werden. Ein Phänomen, das man früher vor allem aus den USA kannte, ist heute auch in Europa nichts Außergewöhnliches mehr. Inzwischen haben 18 von 28 Mitgliedsländern der Europäischen Union ein sogenanntes kollektives Rechtsschutzsystem eingeführt. Allein seit 2008 sind fünf Länder dem System beigetreten. Europäische Unternehmen beobachten die Entwicklung mit Sorge: Mit der Schaffung einer rechtlichen Grundlage für Sammelklagen in ganz Europa könnte auch die in den USA herrschende Klagefreudigkeit und die großen Entschädigungszahlungen Einzug halten.
Für ein Unternehmen, das in einen Rechtsstreit verwickelt ist, gibt es eine Reihe von Frühindikatoren, um die öffentliche Relevanz und damit auch die Notwendigkeit für Litigation-PR einzuschätzen. Diese Litigation-PR-Fälle sind sehr individuell und müssen daher mit einer integrierten kommunikativen Strategie begleitet werden. Ziel ist, dass Banken und andere Unternehmen nicht nur den Prozess gewinnen, sondern am Ende auch im „Gerichtssaal der Öffentlichkeit“ reüssieren.
Daniel Konrad ist Berater bei FleishmanHillard. Im Bereich Corporate Affairs betreut er nationale und internationale Kunden. Zu seinen Schwerpunkten zählt Litigation-PR sowie Fragen rund um das Thema Compliance.
Cicero, Catalina und gezielt eingesetzte Medienarbeit
29. Oktober 2013 | Autor: Jens Nordlohne | Keine Kommentare | Artikel drucken
Patrick Minar, Kommunikationsberater, Gesellschafter und Prokurist von Schneider Minar Jenewein Consulting in Wien, hat einen interssanten Kommentar für DiePresse verfasst:
Als der große römische Redner und Staatsmann Marcus Tullius Cicero den Senator Lucius Sergius Catilina der Verschwörung überführen wollte, war ihm eines klar: Für eine Verurteilung brauchte es mehr als juristische Argumente. Er war angewiesen auf die Unterstützung der Öffentlichkeit, die er durch die berühmten „Reden gegen Catilina“ auf seine Seite ziehen wollte. Es handelt sich dabei um mehr als eine historische Anekdote, mit der Lateinschüler gequält werden. Es ist vielmehr Zeugnis einer alten Disziplin der Öffentlichkeitsarbeit, die heute unter dem Namen Litigation PR immer größere Bedeutung gewinnt.
Durch die Unterstützung einer juristischen Strategie durch gezielt eingesetzte Medienarbeit wird dabei versucht, einerseits die Reputation der involvierten Personen zu schützen, andererseits Deutungshoheit über das Verfahren zu gewinnen und somit die juristische Auseinandersetzung zu beeinflussen. Auch wenn in der Vergangenheit ebendieses immer schon versucht wurde – siehe obiges Beispiel –, zeigt die jüngere Geschichte weitreichende Veränderungen in diesem Bereich.
Profi-Powerpoint-Plädoyers
Die aktuellen Verfahren zur Aufklärung diverser Korruptions- und Wirtschaftsstraffälle sind geprägt durch hohe mediale und öffentliche Aufmerksamkeit. Die Öffentlichkeit ist heute bereits zu einem Zeitpunkt präsent, zu dem eigentlich noch keine vorgesehen ist.
Woche für Woche liest man aus geheimen Einvernahmeprotokollen, Beschlüssen zur Hausdurchsuchung oder anderen Akten in Medien. Jüngst konnte ein Beschuldigter im Telekom-Prozess seine Anklageschrift in einer Tageszeitung lesen, noch bevor sie ihm offiziell zugestellt war.
All das beeinflusst dramatisch Atmosphäre und Rahmenbedingungen, innerhalb derer dann später ein Prozess abläuft.
Auch unmittelbare Prozess-Teilnehmer haben sich auf das Phänomen „Cicero 2.0“ bereits gut eingestellt. Immer öfter unterstützen Staats- und Rechtsanwälte ihre Anklagevorträge und Plädoyers durch professionell gestaltete Powerpoint-Präsentationen und wenden sich dabei eindeutig an die anwesenden Journalisten und somit an die Öffentlichkeit und nicht an das Gericht. Gut aufbereitete Presseunterlagen werden im Gerichtssaal verteilt. Alles für ein Ziel: Gestaltung der öffentlich-medialen Darstellung des Verfahrens.
Aus beinahe jedem größeren Prozess wird mittlerweile, teils von mehreren Medien und Journalisten gleichzeitig, via Twitter oder Live-Ticker direkt und unmittelbar berichtet. Daraus ergeben sich nicht nur relevante juristische rechtstaatliche Fragestellungen. So dürfen sich Zeugen vor ihrer Aussage ja nicht im Gerichtsaal aufhalten, um keiner Beeinflussung durch andere Aussagen zu unterliegen, mit jedem Smartphone kann jedoch mittlerweile Wort für Wort im Wartesaal mitgelesen werden.
Bisher fehlt hier jeder rechtliche Rahmen, um mit dieser neuen Entwicklung umgehen zu können. Den betroffenen Richtern bleibt oft nur die Bitte um verantwortungsvolles Agieren der Journalisten. Die Leserschaft der Liveticker ist groß, die Möglichkeit, dort auch Kommentare zu posten, schafft wiederum neue Bühnen der Meinungsbildung und -beeinflussung. In gewissen Teilen ist hier eine Form der Trivialisierung und Inszenierung zu beobachten, die eher an Brot und Spiele, denn an Berichterstattung ohne Zorn und Eifer erinnert.
Stark zu relativieren ist mittlerweile die traditionelle Gerichtsberichterstattung, in der ein in die Materie eingearbeiteter Journalist Informationen filtert und aufbereitet und so seiner Leserschaft das Prozessgeschehen mitteilt.
Der immer größer werdende ökonomische Druck macht es für Medien immer schwieriger, den klassischen Gerichstberichterstatter zu unterhalten, womit auch der Verlust dieser spezifischen journalistischen Kompetenz einhergeht. Als Folge kommt es immer wieder – freilich ohne Absicht – zu irreführenden Darstellungen, die dann korrigiert oder gar erst für alle mühsam medienrechtlich geklärt werden müssen.
Wiederaufbau der Reputation
Selbstverständlich wird mittlerweile auch der Umgang mit traditionellen Medien immer ausgiebiger und professioneller gepflegt. Eindrückliche Beispiele sind dafür sowohl Gernot Schieszler als auch Peter Hochegger.
Beiden, immerhin zentrale Figuren in den mutmaßlich größten Korruptionsskandalen der jüngeren Zeit, ist es gelungen, sich mehrfach in großflächigen, gut vorbereiteten Print- und TV-Interviews zu rechtfertigen, persönliche Spins zu verbreiten, Nebelgranaten zu werfen und erste Schritte zum Wiederaufbau ihrer Reputation zu setzen. Man erinnere sich nur an den denkwürdigen Auftritt Peter Hocheggers im Korruptions-U-Ausschuss, als er es schaffte, orchestriert durch professionelle Medienarbeit davor und danach, dass am Ende praktisch alle Medien über kleine Agenturmitarbeiter berichteten und nicht mehr über verschwundene Millionenhonorare.
Schaden durch Öffentlichkeit
Der Rücktritt des ehemaligen Bankmanagers Herbert Stepic hat gezeigt, dass eine unklare Kommunikationsstrategie einen medialen Sturm entfachen kann, der auch vor Raiffeisen nicht haltmacht. Ob es in diesem Fall überhaupt zu einer Anklage kommt, ist noch völlig offen.
Der Schaden für den Betroffenen ist jedoch bereits durch die Veröffentlichung eingetreten und kann weder durch eine Niederlegung des Verfahrens noch durch einen Freispruch ausgeglichen werden.
All das sind Beispiele von gewollter oder ungewollter medialer Präsenz, die massiven Einfluss auf die Reputation der betroffenen Personen, auf das Verfahren im Gerichtssaal und auch auf das „Verfahren im Gerichtssaal der Öffentlichkeit“ haben. Die aktuellen Prozesse zeigen deutlich, dass an allen Enden, von der Staatsanwaltschaft, über das Justizministerium, bis hin zu den Rechtsanwälten und Betroffenen selbst, immer offensiver, strategischer und professioneller mit der Öffentlichkeit und den Medien zur Zielerreichung gearbeitet wird.
Am Ende setzte sich übrigens Cicero gegen Catilina und seine Mitverschwörer durch. Ob er sich damals im Umgang mit der Öffentlichkeit beraten ließ, ist nicht überliefert.
Er schaffte es jedenfalls, diese für sich zu mobilisieren und so den Prozess zu gewinnen. Wer also nicht auf ähnliches rhetorisches Talent zurückgreifen kann, sollte sich auf die Herausforderungen größerer medialer Öffentlichkeit einstellen und das Spiel mit der Öffentlichkeit nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Das betrifft Rechtsanwälte und Beschuldigte ebenso wie Richter und Staatsanwälte, aber auch den Gesetzgeber, der zu klären hat, ob, wann und in welcher Form Öffentlichkeit notwendig und gewünscht ist. Zu hoffen, den Medien und der damit geschaffenen Öffentlichkeit einfach durch „kein Kommentar“ entrinnen zu können, ist sicherlich zu kurz gegriffen