Litigation-PR : der Blog

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Autischer & Stierschneider (trimedia): Litigation-Communication in Österreich. Ein Erfahrungsbericht.

29. April 2009 | Autor: Gastblogger | Keine Kommentare Artikel drucken

“Litigation-PR : der Blog” begrüßt die Gastautoren Alfred Autischer (CEO Deputy der Trimedia International) und Katharina Stierschneider (Executive Assistant bei Trimedia International).

Alfred Autischer und Katharina Stierschneider

Viel gestritten wird auch in Österreich. Gut kommuniziert nicht immer.

Die österreichische Öffentlichkeit hatte jüngst mehrfach die Gelegenheit, Rechtsstreitigkeiten live und direkt mitzuverfolgen: Zwei junge Vorstände eines Online-Glücksspiel-Unternehmens werden bei einer Pressekonferenz vor laufenden Kameras von der französischen Polizei in Handschellen abgeführt. Ein ehemaliger, fescher Finanzminister sieht sich regelmäßig mit anonymen Strafanzeigen konfrontiert. Ein mit untadeligem Ruf ausgestatteter Vorstandsvorsitzender eines der größten börsennotierten Unternehmen muss sich plötzlich mit dem Vorwurf des Insiderhandels herumschlagen. Ebenso nicht zu vergessen: Der Skandal um die ehemalige Gewerkschaftsbank BAWAG oder der Fall Fritzl.

So unterschiedlich diese Fälle auch sind, eines haben sie gemeinsam: Das mediale Interesse war und ist enorm. Die österreichischen Medien haben die Berichterstattung über Prozesse als Möglichkeit zur Auflagensteigerung längst erkannt. Sie unterscheidet sich in keinem Detail von der deutscher oder anderer europäischer Medien.

Ganz unterschiedlich noch die Reaktion der Betroffenen. Der Fall Fritzl wurde – wohl auch wegen des großen internationalen Medieninteresses und auf Druck der Regierung – kommunikativ perfekt gemanagt. Aber es gibt auch den anderen Fall: Herr Elsner, der ehemalige BAWAG-Generaldirektor, hat nach einem langen Prozess nach wie vor neben juristischem Beistand keine professionelle Kommunikationsberatung und gilt in der Öffentlichkeit fast schon als das Symbol, wenn nicht sogar als der Erfinder der österreichischen Bankenkrise.

Gestritten wird also auch in Österreich, professionell kommuniziert wird allerdings noch zu selten: Litigation-Communication-Experten gibt es auch in Österreich, aber noch ist die Branche nicht sehr entwickelt. Katharina Stierschneider, Mitautorin dieses Beitrags, hat im April 2009 im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der FH Joanneum 30 Juristen und 50 PR-Experten zu ihrem Wissen und ihrer Haltung zu Litigation Communication befragt (1).

Die Ergebnisse fallen nicht unerwartet aus:

Noch können nur etwa 60 % der österreichischen PR-Experten mit dem Begriff Litigation-PR überhaupt etwas anfangen. Nur 17 % der PR-Experten geben an, zumindest manchmal im Bereich Litigation-PR zu arbeiten. Echte Litigation-PR-Experten, die den Großteil ihrer Zeit mit diesem Thema verbringen, gibt es zur Zeit nur zwei oder drei in Österreich. Aber trotz der geringen Erfahrung glauben die meisten Befragten (88 %) an die Notwendigkeit dieser neuen Disziplin. Ein Viertel vertritt die Meinung, dass Litigation-PR bei allen Streitfällen ein Muss ist.

Auch unter den Juristen schaut es nicht viel anders aus. Der Begriff Litigation-PR ist relativ unbekannt, nur knapp ein Viertel (23 %) haben davon gehört. Aber immerhin gibt die Hälfte der befragten Juristen (50%) an, in einem Viertel ihrer Fälle Public Relations als strategisches Tool mit einzubeziehen. Praktisch alle Juristen (90 %) glauben an die Notwendigkeit und die zunehmende Bedeutung der Litigation-PR in rechtlichen Auseinandersetzungen.

Diese Ergebnisse entsprechen unserer alltäglichen Erfahrung

Auch wenn Kommunikation in juridischen Auseinandersetzungen teilweise schon verbreitet ist, wird die Disziplin der Litigation-PR noch nicht als solche anerkannt. Noch immer ist ein strategisches Kommunikationsmanagement in rechtlichen Streitigkeiten ein blinder Fleck der Kommunikationspolitik großer Unternehmen. Noch immer sind es nur die wirklich großen Anwaltskanzleien und einige wenige Spitzenanwälte, die sich auf die Betreuung von Aufsichts- oder Stiftungsräten spezialisiert haben, die aktiv nach kommunikativer Begleitung bei Streitfällen fragen. Auf Klientenseite sind es nur die „großen“ CEOs, die wissen, was Kommunikation verhindern oder erreichen kann. Die Unternehmen selbst und der große Teil der Wirtschaftsanwälte des Landes denken noch nicht automatisch daran, bei Streitfällen Litigation-PR-Experten beizuziehen. Viele Anwälte glauben nach wie vor, es sei am besten, ihre Kanzlei würde die Kommunikation gleich selbst mitmachen.

Professioneller agieren da schon die Staatsanwaltschaften. Die großen Behörden arbeiten mit ausgebildeten Pressesprechern und setzen vor allem die Medienarbeit sehr geschickt und bewusst zur Erreichung ihrer Ziele ein. Zuletzt und sehr umfangreich im Fall Julius Meinl. Dem Meinl-Anwalt Dr. Eichseneder geht die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft Wien bereits viel zu weit. Sie sei, so Eichseneder in einer Presseaussendung vom 24. April 2009, „rechtsstaatlich bedenklich.“ „Bei  einer derartigen derzeit stattfindenden öffentlichen Vorverurteilung“, verliere, so der Anwalt, „die Unschuldsvermutung völlig ihre Bedeutung“.

Fazit:

Die Diskussion um das Verhältnis zwischen „court of justice“ und „court of public opinion“ hat auch in Österreich längst begonnen. Die PR-Branche selbst fängt jedoch erst an, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Noch wird Litigation-PR unter Krisenkommunikation subsumiert und die Diskussion einigen wenigen Litigation-Experten überlassen. Damit dies anders wird, muss Litigation-PR selbstverständlicher Teil der Ausbildungslehrgänge und Curricula an den Universitäten und Fachhochschulen werden. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

(1) Katharina Stierschneider: Litigation Communication. When juridical conflicts put the reputation at risk. Diplomarbeit an der FH Joanneum “Journalismus und Unternehmenskommunikation”. Genauere Daten der Umfrage stehen mit Einreichung im Juni zur Verfügung.

Über die Autoren

Alfred Autischer ist CEO Deputy der Trimedia International, einer der größten PR Agenturen Europas. Alfred Autischer ist Experte für Litigation-PR und hat in jüngster Zeit einige der großen Streitfälle in Österreich als Kommunikationsberater und Pressesprecher mit betreut.

Katharina Stierschneider ist Executive Assistant bei Trimedia International und war zuvor als freie Redakteurin tätig. Gemeinsam mit Alfred Autischer arbeitet sie in dem Bereich Litigation-PR.

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