PR-Schlacht um Kachelmann
3. August 2010 | Autor: Jens Nordlohne | 4 Kommentare | Artikel drucken
Selten rückte das Thema Litigation-PR so in den Vordergrund wie im Fall Kachelmann. Als kritischer Beobachter hat man den Eindruck als beschäftigten sich die Medien mehr mit ihrer eigenen Rolle in diesem Fall als mit dem Fall selbst. Ob Anne Will, FAZ oder Bild. Längst ist „Die PR-Schlacht um Kachelmann“ das eigentliche Thema. Sollte es tatsächlich soetwas wie eine PR-Strategie Kachelmanns geben, so kann diese nur ein Ziel verfolgen: Im Falle eines Freispruchs wieder gesellschaftlich handlungsfähig zu sein – mit anderen Worten: In seinem Job vor der Kamera wieder akzeptiert zu werden.
So kritisch Anwälte und Medienexperten das Verhalten Kachelmanns sehen, eine Stern-Umfrage zeigt, dass sich eine für ihn positive Meinung in der Öffentlichkeit gebildet hat: Das Magazin kam in einer repräsentativen Umfrage zu dem Ergebnis, dass nur jeder fünfte Befragte glaubt, Kachelmann sei schuldig. Fast die Hälfte ist der Meinung, der Wettermann sei unschuldig. Und dabei handelte es sich um eine Umfrage, die vor (!) seiner Entlassung aus der U-Haft veröffentlicht wurde. Und wenn ein Oberlandesgericht bei der Haftprüfung bestätigt, dass „kein dringender Tatverdacht“ mehr bestehe, ist das in den Augen vieler (fälschlicherweise) ein Freispruch.
Das Urteil der Stern-Befragten kann sich nur auf die Berichterstattung stützen. Und die versuchen Kachelmanns Berater, der Anwalt des vermeintlichen Opfers sowie die Staatsanwaltschaft gleichermaßen zu beeinflussen. Und da scheint bei aller Verworrenheit Kachelmann nach Punkten vorn zu liegen. Führte die Berichterstattung laut Stern eben nur bei einem Fünftel der Deutschen zu der Wahrnehmung, Kachelmann habe seine Freundin tatsächlich vergewaltigt. Die Zahlen für Kachelmann dürften jetzt sogar noch besser aussehen.
Sein TV-Interview zeigte ihn sehr glaubwürdig, authentisch und hat ihm in der breiteren Öffentlichkeit weitere Symmpathiepunkte eingebracht . Und die Sympathie der Öffentlichkeit ist es, was er braucht, wenn er wieder erfolgreich (im Fernsehen) arbeiten möchte. Den Richter wird die PR-Schlacht nicht dahingehend beeinflussen, ob er Kachelmann schuldig oder freispricht. Selbst, wenn das Strafmaß beeinflussbar sein sollte, spielt das für Kachelmanns Zukunft keine Rolle. Sollte er tatsächlich schuldig gesprochen werden, wird keine Kommunikationsstrategie ihm mehr helfen können.
Kachelmann hat auf „100 Prozent nicht schuldig“ gesetzt. (Nicht auf „Blackout“, „Missverständnis“, „Sucht“ in Verbindung mit einer emotionalen Entschuldigung). Lautet der Richterspruch also „schuldig“, hat er keine Chance. Bei einem Freispruch wird es auch weiterhin einen öffentlichen Wetter-Kachelmann geben – und das trotz der Verbreitung intimer Details seines Privatlebens. Das ist so voraussehbar wie das Wetter von morgen…
Kik vs. NDR
3. August 2010 | Autor: Kurzmelder | 1 Kommentar | Artikel drucken
Der NDR hatte Rechtsmittel angekündigt und damit jetzt Erfolg: Der Textil-Discounter Kik hat im Rechtsstreitgegen den Fernsehsender NDR eine Niederlage vor dem Hamburger Landgericht einstecken müssen. Mehr über die Hintergründe in der Textilwirtschaft.
Sommerpause bis August
13. Juli 2010 | Autor: Kurzmelder | Keine Kommentare | Artikel drucken
Die WM ist vorbei, die Hitzewelle dauert an – und der Litigation-PR-Blog verabschiedet sich in die Sommerpause. Ab Anfang August sind wir wieder für Sie da.
Tausche Eisbär gegen Pinguine. Litigation-PR als Zusatzleistung eines Prozessfinanzierers
6. Juli 2010 | Autor: Gastblogger | Keine Kommentare | Artikel drucken
Wir freuen uns über den Gastbeitrag von Rechtsanwältin Birte Meyer, Allianz ProzessFinanz GmbH, München. Frau Meyer verdeutlicht in ihrem Beitrag ein neues Anwendungsfeld der Litigation-PR; nämlich als Zusatzleistung zu einer Prozessfinanzierung neben der Abdeckung von Anwalts- und Gerichtskosten sowie der Verlustrisikoübernahme .
Liegt es an der geschickten Marketingstrategie einiger Kommunikationsagenturen oder an einer allgemeinen Sensibilisierung für die hohe Wirksamkeit gezielter Kommunikation, dass prozessbegleitende Pressearbeit immer mehr en vogue gerät? Nicht nur in spektakulären Straf- und Wirtschaftsprozessen gewinnt die Berichterstattung in den Medien immer mehr an Bedeutung. Weiter wird im Rahmen von Zivilrechtstreitigkeiten koordinierte Pressearbeit verstärkt eingesetzt. Auch als zusätzlicher Service im Rahmen einer Prozessfinanzierung; also einer Rechtsdienstleitung, im Rahmen derer Anwalts- und Gerichtskosten vorfinanziert und das gesamte Prozessrisiko gegen eine faire Beteiligung am Erfolg übernommen wird, wenn es zu einer rechtlichen Auseinandersetzung kommt.
Ungewöhnliche Fälle erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Vor allem, wenn ein allseits bekannter Star involviert und mit Sicherheit ein erhebliches Medieninteresse zu erwarten ist. Wenn zusätzlich eine äußerst komplizierte Rechtsfrage in Streit steht und schnell ein Gerücht entstehen könnte, das zu einem emotionalen Aufschrei in Teilen der Bevölkerung führt, sollte die eigene Kommunikation nach außen gut überlegt und geplant sein. Eine solche Situation ergab sich im Fall um den Eisbären „Knut“. Es ging um eine Beteiligung an den Lizenzeinnahmen, die der Zoo Berlin mit seinem Star erwirtschaftet hatte. Der Tierpark Neumünster war – was bis dahin kaum einer wusste – der Eigentümer des Tieres und verlangte von Berlin Auskunft und Zahlung, was in der Hauptstadt rigoros abgelehnt wurde. Die PR-Abteilung des größten und artenreichsten Zoos Europas ließ vielmehr in sämtlichen Zeitungen den berühmten Satz ihres Direktors zitieren: „Die bekommen ein paar Pinguine!“ Ferner stand zu befürchten, dass die Behauptung in die Welt gesetzt würde, „Knut“ solle aus Berlin weggeholt werden, und dementsprechend „Stimmung“ gegen Neumünster gemacht werden würde.
Mit Geld, Geduld und Fingerspitzengefühl
Da der Tierpark Neumünster von einem gemeinnützigen Verein getragen wird, stand er allerdings vor dem Problem, dass er weder die Kosten für einen Rechtsstreit aufbringen konnte, noch ein hohes Kostenrisiko für den Fall des Unterliegens eingehen wollte, noch Erfahrung im Umgang mit den Medien hatte. Er bekam Unterstützung durch einen Prozessfinanzierer, der nicht nur den Fall finanzierte und das Verlustrisiko übernahm, sondern ihm auch eine PR-Agentur an die Seite stellte, die insbesondere den Direktor des Tierparks für Pressekonferenzen und telefonische Interviews trainierte. Außerdem wurden Pressemappen erstellt sowie zu allen entscheidenden Phasen des Rechtstreits Pressemitteilungen herausgegeben: bei Klageeinreichung, vor der ersten mündlichen Verhandlung und unmittelbar danach (man hatte verschiedene Szenarien bereits vorbereitet, die dann innerhalb kürzester Zeit angepasst und über den Verteiler gesendet wurden). Hierbei wurde vor allem Wert darauf gelegt, die Tatsachen wie Eigentümerstellung des Tierparks Neumünster und den genauen juristischen Anspruch darzustellen: es ging nicht darum, Knut dem Berliner Zoo „wegzunehmen“ und auch nicht um die Eintrittsgelder, die mit ihm verdient wurden, sondern allein um eine Beteiligung an seiner millionenschweren „Verwertung“.
Journalisten sind oftmals völlig unvorbereitet, da sie spontan zu Gerichtsverhandlungen geschickt werden und kurzfristig berichten müssen. Daher sind oftmals wenige Minuten entscheidend für die Weichenstellung bei der Berichterstattung. Natürlich entscheidet das Gericht, doch insbesondere im Hinblick auf Einigungsgespräche spielt das Image in der Öffentlichkeit eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Schließlich wurde nach Abschluss des Vergleichs eine Pressekonferenz organisiert, um den Medien den Inhalt der Einigung vorzustellen: Der Tierpark Neumünster erhielt vom Zoo Berlin insgesamt 430.000 Euro in drei Raten. Außerdem hat er sich bereit erklärt, das Tier dem Zoo Berlin endgültig zu überlassen. Erst in diesem Kontext wurde auch die Prozessfinanzierung offengelegt.
Immer häufiger prozessbegleitende Pressearbeit
Im Fall der Nürnberger Ingenieursfirma IS Industrial Services wurden von den österreichischen Baukonzernen Alpine und Porr für rund 2,5 Millionen Euro Leistungen für den Ausbau von Fußballstadien beauftragt. Und zwar nicht für irgendwelche Stadien, sondern für die der Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich. Aufgrund angeblicher Mängel wurde jedoch nur ein Bruchteil gezahlt. Der wirtschaftlich übermächtige Gegner trieb das mittelständische Unternehmen arg in die Bedrängnis – die EM war vorbei, der allgemeine Medienrummel und öffentliche Druck hatten sich gelegt. Doch IS Industrial Services zog schließlich prozessfinanziert vor Gericht und wieder in die Presse: in der Allianz Arena wurde ein Journalistengespräch veranstaltet, bei dem Kläger, Anwalt und Finanzierer den Fall darstellten. Letztes Jahr erhielt das Ingenieursbüro schließlich doch noch einen Großteil des ihm zustehenden Honorars.
Nicht immer spielt sich die Medienarbeit so deutlich ab, wie in den vorgeschilderten Beispielen. Manchmal erfolgt die Pressearbeit ganz subtil. So wurde in einem anderen Fall für den Inhaber des prozessfinanzierten Anspruchs eine Kommunikationsagentur engagiert, die über ihren eigens zusammengestellten Verteiler mehrere (abgestimmte) Pressemitteilungen zu dem Fall herausgab und über Monate das Thema in den entsprechenden Fachzeitschriften, aber auch Wirtschafts- und Boulevardblättern platzierte. Ziel war es, die Diskussion anzufachen und den konkreten Fall als Muster für den schon seit langem in der Szene hörbaren Ruf nach einer Änderung der Rechtssprechung zu nutzen. Zudem sollte Druck auf die Gegenseite ausgeübt werden, die nicht damit gerechnet hatte, dass sich einer für viele in die Öffentlichkeit stellte.
Es gilt, stets sensibel und mit Blick auf die Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, ob die Bekanntheit der Protagonisten, das Verhalten einer Partei oder die Auswirkungen einer Rechtsfrage in der Öffentlichkeit gut aufgehoben sind. Oder besser vor ihren teilweise unkalkulierbaren Effekten geschützt werden sollten. Denn nur richtige Presse ist gute Presse.
Über RAin Birte Meyer, Allianz ProzessFinanz GmbH
Birte Meyer arbeitete zunächst als Rechtsanwältin einer internationalen Großkanzlei und einer mittelständischen Wirtschaftskanzlei, bevor sie zur Allianz ProzessFinanz GmbH wechselte. Bei der Allianz ProzessFinanz GmbH ist Frau Meyer unter anderem für die Bereiche Marketing, Presse und Vertrieb verantwortlich, in ihren zahlreichen Publikationen zur Prozessfinanzierung sowie zum anwaltlichen Erfolgshonorar zum Ausdruck kommt. Frau Meyer erreichen Sie per Mail: birte.meyer@allianz.de
„Darüber hinaus hat Birte Meyer ihren erstenRoman veröffentlicht: Himmel auf Rührei handelt von verrückten Rechtsfällen,Kanzleialltag und Mandantenwahnsinn“ https://www.himmel-auf-ruehrei.de/
Wechselwirkung
21. Juni 2010 | Autor: Jens Nordlohne | Keine Kommentare | Artikel drucken
Dass PR-Maßnahmen und Strategien nicht immer im Einklang mit juristischen Vorgehensweisen stehen, beweist derzeit BP. Im Rahmen der Untersuchungen zur Ölkatastrophe im Golf von Mexiko tauchen nun auch Dokumente auf, die belegen, wie die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit bei BP mit kritischen Situationen prinzipiell umgeht. Als im Jahre 2005 eine Raffinerie in Texas explodierte und 15 Menschen ums Leben kamen, stellte Pressesprecherin Patricia Wright in einer Mail an die Kollegen der Geschäftsführung lapidar fest:
„Looks like injuries and loss of life are heavy. Expect a lot of follow up coverage tomorrow. Then I believe it will essentially go away — due to the holiday weekend.“
Wright setzte also ihre Hoffnung auf das Osterwochenende… Anwalt Brent Coon, der seinerzeit zahlreiche Opfer der Texas-Explosion vertrat, behauptet gegenüber CNN, dass BP immer nach der selben Methode vorgeht:
„It’s always first damage control, and with damage control, they accentuate the positive, downplay the negative, tell everybody they’re sorry, they’re gonna fix it, they’re gonna do better, and not to worry.“
Coon hat im Rahmen seines Mandats Beweise aus über 7 Millionen internen Dokumenten herausgefiltert – unter anderem auch die Mail über die „Segnung“ des Osterwochenendes zur Ablenkung von dem Desaster in Texas.
Interessant für die Untersuchung rund um die Ölkatastrophe im Golf könnten weitere Papiere sein, die Coon seinerzeit ausgewertet hat. Darunter Anweisungen an BP-Mitarbeiter, wie Unfallreports ausgefüllt werden sollen:
„Also among the documents that turned up in the lawsuit was a guide to filling out incident reports, created by lawyers hired by BP, that urged workers to „avoid language that is negative, inflammatory or implies criminal intent or willful misconduct.“
Coon entdeckte sogar eine BP-Präsentation mit dem Titel „dirty words document“. Dieses gab Mitarbeitern Anweisung, die Vokabeln “sorglos”, “incompetent”, “rücksichtslos” nicht zu verwenden. „They don’t want to have anything in any of their reports or anything in writing that indicates that they did anything wrong,“ he said.
Lesenswert dazu: BP documents highlight PR strategy after deadly Texas blast
Kik erwirkt einstweilige Verfügung gegen NDR
26. Mai 2010 | Autor: Jens Nordlohne | Keine Kommentare | Artikel drucken
Der Textildicounter Kik hat vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen den Norddeutschen Rundfunk (NDR) erwirkt. Das berichtet die Textilwirtschaft. Anlass ist eine Reportage des NDR vom 7. April dieses Jahres mit dem Titel „Die Kik-Story – die miesen Methoden des Textildiscounters“. Darin wurden schlechte Arbeitsbedingungen und Lohndumping vorgeworfen. Auch über Ausbeutung und Demütigung im Produktionsland Bangladesch wird berichtet.
Kik erklärt, dass in dem Beitrag „Ruf schädigende falsche Tatsachen“ verbreitet wurden.
„Wir begrüßen die Entscheidung der Richter, wenngleich der Reputationsschaden für unser Unternehmen durch die Erstausstrahlung groß ist. Wir sind froh, dass derartige fehlerhafte journalistische Behauptungen und Recherchen in Deutschland geahndet und untersagt werden“,
erklärt eine Kik-Sprecherin.
Durch die einstweilige Verfügung wird die Ausstrahlung bestimmter Sequenzen verboten. Davon ist nach Angaben der Kik-Sprecherin auch die Verbreitung über das Internet betroffen. Die Richter hätten die Verfügung aufgrund
„mehrerer unrichtiger Behauptungen über das Unternehmen“
erlassen. Die einstweilige Verfügung sei ein erster Schritt, so die Sprecherin.
„Kik strebt eine Hauptsacheklage an, die den kompletten Beitrag verbietet.“
Der NDR will nun seinerseits ebenfalls gerichtlich gegen die Entscheidung vorgehen.
„Wir werden gegen die einstweilige Verfügung Rechtsmittel einlegen“,
so ein NDR-Sprecher. Im Übrigen habe das Gericht die Mehrzahl der von Kik geforderten Unterlassungen abgelehnt. Bei den Sequenzen, die untersagt wurden, gehe es zudem nicht um die Kernthemen der Reportage.
Während auf den Seiten der ARD der Beitrag nicht mehr zu finden ist, haben Videoportale die Story weiterhin online.
Einfluss, Euer Ehren!
14. Mai 2010 | Autor: Jens Nordlohne | Keine Kommentare | Artikel drucken
Das Magazin Focus widmet sich in seiner aktuellen Ausgabe (19/10) der Frage: „Streitfall für Richter und Anwälte: Können PR-Strategen über die öffentliche Meinung Gerichtsprozesse beeinflussen?“ Obwohl die Story für Focus-Verhältnisse prominent auf zwei Seiten aufgemacht ist, kratzt der Beitrag leider nur an der Oberfläche des Themas und beantwortet die aufgeworfene Frage letztlich nicht. Die Autorin, Katrin Sachse, konzentriert sich eher auf eine Aufzählung prominenter Personen (Ackermann, Bischof Mixa, Andreas Türck), deren Image durch kritische Berichterstattung ramponiert wurde. Sie beschreibt nicht, welche Methoden und Maßnahmen PR-Experten ergriffen hätten, um solche Reputations-GAUs zu verhindern – geschweige denn, welches Instrumentarium eingesetzt wird, um einem Mandanten das nötige Gehör zu verschaffen. Als einzigen Litigation-PR-Experten zitiert Focus den ehemaligen New York-Korrespondent des Blattes, Uwe Wolff. Leider erhält auch er nicht die Chance, tiefer in die Materie einzusteigen:
„Ich trage die Perspektive des Mandanten in die Öffentlichkeit“.
Wie so häufig, wenn es um Litigation-PR geht, bleibt der Inhalt der Geschichte wenig konkret. Focus hat bedauerlicherweise die Chance vertan, eine breitere Leserschaft fundiert über das Zusammenspiel von Wahrnehmungsmanagement und Rechtsprechung zu informieren.
Fünf Fragen an Marcus Rohwetter, Wirtschaftsredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT
11. Mai 2010 | Autor: Gastblogger | 1 Kommentar | Artikel drucken
1. Frage: Wie erreicht ein Anwalt am ehesten eine positive (Medien-)Aufmerksamkeit für seinen Mandanten?
In dem er offen und ehrlich über den Fall spricht und die Argumente der Gegenseite nicht von vornherein als völlig irrelevant abtut.
2. Frage: Was sollte er auf keinen Fall versuchen?
Zu lügen, Meinungen als Fakten darzustellen und so die Presse instrumentalisieren zu wollen.
3. Frage: Wer kommuniziert besser: Rechtsanwalt oder Staatsanwalt?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Kommunikationsstärke ist eine Frage der Persönlichkeit, keine Frage des Berufs.
4. Frage: Lassen sich Richter von einer Medienberichterstattung in ihrer Entscheidungsfindung beeinflussen?
Zugeben würde das wohl niemand. Aber es würde auch niemand zugeben, dass er sich von Werbung beeinflussen lässt.
5. Frage: In welchem konkreten Fall hätten Sie dazu geraten, Litigation-PR-Experten einzusetzen?
Ich bin Journalist und kein PR-Berater. Da müssen Sie jemand anderen fragen.
Über Marcus Rohwetter:
Marcus Rohwetter ist Wirtschaftsredakteur bei der Wochenzeitung DIE ZEIT. Er studierte Rechtswissenschaft in Bielefeld und arbeitete als freier Journalist für die Justizredaktion des ZDF. Bevor er im Jahre 2000 zur ZEIT nach Hamburg kam, besuchte er die Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten in Düsseldorf. Marcus Rohwetter wurde 2005 mit dem Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus und 2003 mit dem Ludwig-Erhard-Förderpreis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet.
Wer Marcus Rohwetter persönlich erleben möchte: Am Freitag, 14. Mai 2010, wird er auf dem Deutschen Anwaltstag in Aachen über das Thema „Litigation-PR“ diskutieren.
Kontakt:
marcus.rohwetter(et)zeit.de
Vorankündigung: Tagung zur Litigation-PR in München
9. Mai 2010 | Autor: Kurzmelder | Keine Kommentare | Artikel drucken
Die Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation plant für den 16. September 2010 eine Tagung zum Thema „Litigation-PR“ in München. Motto: „Alles was Recht ist – Kommunikation rund um den Gerichtssaal“. Interessierte sollten sich diesen Termin bereits heute freihalten. Weitere Informationen folgen.
Litigation-PR – eine moderne Form des rechtlichen Gehörs?
30. April 2010 | Autor: Gastblogger | Keine Kommentare | Artikel drucken
Der Litigation-PR-Blog freut sich, einen Gastbeitrag des Medienrechtlers Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler veröffentlichen zu dürfen. Herr Professor Boehme-Neßler gehört zu den wissenschaftlichen Wegbereitern der Rechtskommunikation in Deutschland. Das belegen nicht zuletzt seine zahlreichen, thematisch einschlägigen Publikationen.
Vor Gericht zu stehen, ist im besten Fall unangenehm, nicht selten sogar bedrohlich. Umso wichtiger: Das Grundgesetz lässt nicht zu, dass mit einem Menschen ein „kurzer Prozess“ gemacht wird. Art. 103 Abs. 1 GG enthält einen Grundpfeiler des Rechtsstaats – das rechtliche Gehör. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet diesen Grundsatz treffend als prozessuales Urrecht jedes Menschen. Das hat Konsequenzen: Betroffene dürfen vor Gericht reden. Das kann Ihnen niemand nehmen. Gerichte müssen zuhören, und sie müssen bei ihren Entscheidungen berücksichtigen, was sie gehört haben. Aber was hat das mit Litigation-PR zu tun?
Auf den ersten Blick: Nichts. Denn rechtliches Gehör ist nur vor Gericht garantiert. Litigation-PR findet aber gerade außerhalb des Gerichts in den Medien und der Öffentlichkeit statt. In Wirklichkeit ist die Lage aber komplizierter. Litigation-PR zielt zwar direkt auf die Öffentlichkeit, aber indirekt auf das Gericht. Sie spielt quasi „über die Bande“. Gerichte sollen über den Umweg der Öffentlichkeit beeinflusst werden. Ein Prozessbeteiligter, der Litigation-PR einsetzt, nutzt zusätzliche Kommunikationswege neben den klassischen prozessualen Rechten, um das Gericht zu erreichen. Ein Beispiel aus der Welt des Strafrechts: Staatsanwälte, die prominente Beschuldigte live unter den Augen einer großen Medienöffentlichkeit verhaften, kommunizieren eine starke Botschaft – auch und gerade an die Richter. Die medial verstärkte Kommunikation kann so laut werden, dass sie die späteren Äußerungen der anderen Prozessbeteiligten vor Gericht „übertönt“. Ganz konkret: Wenn Medien intensiv und mit schmutzigen Details über einen Angeklagten berichten und ihn vorverurteilen, kommen seine Aussagen im Gerichtssaal möglicherweise zu spät – und sind zu leise.
Das ist dann ein echtes verfassungsrechtliches Problem. Denn das Grundgesetz will Grundrechte, die in der harten Praxis wirksam sind. Ein nur noch formal garantiertes, praktisch aber unwirksames rechtliches Gehör ist deshalb nicht in seinem Sinne. Litigation-PR kann also durchaus ein ernstes Problem für das audiatur et altera pars sein. Sie kann aber auch – nur scheinbar paradox – eine zeitgemäße Form des rechtlichen Gehörs darstellen. Wie das?
Wir leben im Zeitalter der Medialisierung: Medien durchdringen alle Bereiche des Lebens und verändern sie – schleichend über Jahre oder plötzlich, grundlegend oder nur marginal. Diesem Sog der Medien kann sich auch das Recht nicht auf Dauer entziehen. Das heißt: Art. 103 Abs. 1 GG – und die juristische Kommunikation insgesamt – müssen die mediale Massenkommunikation mit ins Kalkül ziehen. Eine juristische Auseinandersetzung wird immer öfter nicht nur im Gerichtssaal, sondern auch im Court of Public Opinion geführt (werden müssen). Eine formale Beschränkung des rechtlichen Gehörs auf die Kommunikation im Gerichtssaal ist den modernen Kommunikationsstrukturen nicht mehr angemessen. Die Kommunikation, die außerhalb des Gerichtssaals stattfindet, entfaltet im Medienzeitalter ebenfalls Wirkung auf den Gerichtssaal. Das mag man begrüßen oder bedauern – ignoriert werden darf es nicht. Prozessbeteiligte, die nur im Gerichtssaal kommunizieren, sind möglicherweise schlecht beraten. Es gibt Fälle, in denen sie zwingend auch in der Öffentlichkeit über ihren Rechtsstreit reden müssen.
Das bedeutet: Art. 103 Abs. 1 GG ist gleichzeitig verfassungsrechtliche Garantie und Grenze von Litigation-PR. Einerseits ist Litigation-PR eine moderne, der Mediengesellschaft angepasste Möglichkeit, Standpunkte zu äußern und Informationen zu verbreiten. Insofern ist sie eine moderne, medialisierte Form des rechtlichen Gehörs – und durch Art. 103 Abs. 1 GG geschützt. Andererseits kann Litigation-PR des einen Prozessbeteiligten durch ihre Wirkungsmacht aber die Äußerungsmöglichkeiten der anderen Prozessparteien einschränken. Sie ist deshalb wegen Art. 103 Abs. 1 GG nur soweit rechtlich zulässig, solange und soweit sie noch Raum für Äußerungen der anderen Prozessbeteiligten lässt.
Über Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler
Der Autor ist Professor u.a. für Medienrecht in Berlin. Von ihm erschien im Januar im Springer Verlag Berlin/Heidelberg: BilderRecht. Die Macht der Bilder und die Ohnmacht des Rechts – wie die Dominanz der Bilder im Alltag das Recht verändert.